Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 08.04.2004

Testballon geplatzt: Keine neue Partei für Sachsen

DGB-Chef Lucassen prescht erst vor und dann zurück
 
Hanjo Lucassen ist seit 40 Jahren treuer Sozialdemokrat. Wie lange noch, das weiß er offenbar zurzeit selber nicht so richtig. Die Reaktionen seiner Noch-Genossen waren gestern jedenfalls heftig: „Hirnrissig“ seien die Gedankenspiele des Gewerkschafters und SPD-Landtagsabgeordneten Lucassen, meinte einer seiner Fraktionskollegen im Landtag empört, nachdem Lucassen einen Tag zuvor die Neugründung einer so genannten „Sächsischen Arbeiterpartei“ angeregt hatte.

Und auch das: „Lucassen hat noch keinen einzigen Tag Parteiarbeit gemacht“, wurde gestichelt. „Er ist selbst auf Parteitagen immer nur als DGB-Chef aufgetreten.“

Doch offenbar ermuntert durch die Diskussion um eine linke Chemnitzer Wählerinitiative, die neben enttäuschten Wählern auch enttäuschte Sozialdemokraten mobilisieren will, startete Lucassen seinen Testballon – und erlitt eine klare Bruchlandung.

Niemand will seine neue Arbeiterpartei: SPD und PDS sowieso, aber auch die Gewerkschaften. Dabei hätte die doch in Sachsen genauso gute Chancen wie die SPD selbst, glaubt zumindest Lucassen.

Doch mit dieser Meinung steht er bislang allein. Es gebe keinen Bedarf für solche Planspiele, ist nicht nur der SPD-Abgeordnete Karl Nolle überzeugt: „Das halte ich alles für einen schlechten Aprilscherz.“

Auch die PDS will von einer neuen Linkspartei nichts wissen. Warum auch, mit Umfragewerten konstant um die 20 Prozent haben die Sozialisten in Sachsen einen Rückhalt, von dem die SPD nur träumen kann. Allein der Name „Sächsische Arbeiterpartei“ sei „Klassenkampf-Lyrik“, mit der man keine Wählerschaft hinterm Ofen vorlocken könnte, wird gehöhnt. PDS-Spitzenkandidat Peter Porsch warnt zudem, die Parteigründung „würde in bewährter deutscher Manier die Linke zerstreuen und Wähler verschrecken“. Immerhin will Lucassen im Vorfeld auch mit PDS-Mitgliedern die Gründung besprochen haben. Da habe er wohl Geklöne beim abendlichen Bierchen mit politischer Strategie verwechselt, glaubt PDS-Chefin Cornelia Ernst.

Und selbst Kollegen des DGB-Chefs sind entsetzt über den Vorstoß. Gewerkschaften müssten sich zwar in Politik einmischen, aber keine eigene Partei gründen, sagt die Chefin der sächsischen Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Sabine Gerold. Matthias Kubitz, Sachsen-Chef der Gewerkschaft der Polizei, findet es „als gelernter DDR-Bürger bedenklich“, Gewerkschafts- und Parteipolitik zu vermischen.

Seiner Karriere als SPD-Abgeordneter hat Lucassen jedenfalls keinen Gefallen getan. Die Doppelspitze aus Fraktionschef Thomas Jurk und Parteichefin Constanze Krehl werde sich bei dem Listenvorschlag für die Landtagswahl sicher geeignete Kriterien überlegen, so Karl Nolle: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Aufrufe zur Gründung einer neuen Partei dazugehören.“ S.1
(von Andreas Novak und Gunnar Saft)

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