Freie Presse Chemnitz, Seite 4, 16.04.2004
Neue Anzeige gegen Pilz
Landespolizeipräsident soll Mobbing jahrelang toleriert haben
Dresden. Sachsens Polizeipräsident Eberhard Pilz dürfte bald Post bekommen. Bei der Staatsanwaltschaft Freiburg liegt eine Strafanzeige, die diese Woche an die Staatsanwaltschaft Dresden weitergeleitet wurde. Die Vorwürfe: Verdacht auf Urkundenunterdrückung, Strafvereitelung, vorsätzliche Körperverletzung im Amt und Verstoß gegen die Grundrechte.
Konkret heißt das: Pilz soll in seiner früheren Position als Polizeipräsident Dresden nichts gegen das jahrelange Mobbing eines 43-jährigen Polizeihauptkommissars und gegen schlampige Ermittlungen von Disziplinarverfahren unternommen haben. Darüber hinaus sollen laut Landtagsabgeordneten
Karl Nolle im Präsidium Dresden weitere Disziplinarverfahren nur zögerlich bearbeitet worden sein. „Von der Fürsorge der Dienstherren keine Spur", kritisiert Nolle.
Das wirft der 43-jährige Polizist auch seinem Vorgesetzten Pilz vor: Über alles habe er ihn schriftlich in Kenntnis gesetzt, weil er sich Hilfe erhoffte. Passiert sei jedoch nichts.
Seit über sechs Jahren wartet der Beamte darauf, dass sein Disziplinarverfahren beendet, er rehabilitiert wird und somit wieder arbeiten kann. Krank ist der Vater von vier Kindern, der sich nach der Wende von Freiburg nach Sachsen versetzen ließ, durch den zermürbenden Kampf um sein Recht schon lange. Polizeidienstunfähig, sagt die Medizinerin des ärztlichen Dienstes. Falsch, sagen Ärzte der Uniklinik Freiburg und seine Frau: „Sie wollen ihn fertig machen und mit 43 Jahren in den Ruhestand schicken."
Der Beamte sieht sich in einem Netz von Intrigen alter Seilschaften verstrickt, die seine Arbeit als Leiter einer Ermittlungsgruppe bei der Polizeidirektion Görlitz beschädigen und ihn als „Wessi" diffamieren wollen. Vorenthalten von Informationen, Verleumdungen, Vernachlässigung seiner Arbeit und der Diebstahl von Geld - all das habe man ihm vorgeworfen und bei seinen Gegenbeweisen nur schlampig ermittelt. Auslöser ist, so vermutet der Polizist, dass er einem Kollegen nicht helfen wollte, einen Revierleiter aus dem Amt zu boxen. Die Vorwürfe ließen sich bei einem Strafverfahren vor dem Amtsgericht Görlitz allesamt nicht halten. Lediglich eine Geldstrafe in Höhe von 3000 Mark blieb übrig, weil er einen Schlüssel nicht übergeben hat. Auf die berufliche Rehabilitierung wartet der Familienvater, der dadurch monatlich 1300 Euro an Gehalt einbüßt, trotzdem bis heute.
Nach Angaben des Innenministeriums sind die Ermittlungen zum Disziplinarverfahren seit März abgeschlossen. Nun entscheide das Verwaltungsgericht, ob ein Verfahren eröffnet wird. Der wegen weiterer Affären in die Kritik geratene Pilz ist noch im Osterurlaub.
(von Christina Hofmann)