Sächsische Zeitung, 20.04.2004
71 000 Euro teure Uhr verbleibt bei Biedenkopf
Anzeige gegen Ex-Premier wegen Steuerhinterziehung
Es war ein ungewöhnliches Geschenk, das ganz Sachsen bewegte. Als Kurt Biedenkopf (CDU) im Jahr 2000 seinen 70. Geburtstag feierte, überraschten ihn die Mitarbeiter der Glashütter Uhrenbetrieb GmbH mit einem wertvollen Zeitmesser: 71.000 Euro kostete das edle Geschenk für den damals amtierenden Ministerpräsidenten, welches damit sofort zum Politikum wurde.
Die Gemüter erhitzten sich so sehr, dass die Uhr zur Kabinettsangelegenheit wurde. Dort entschied man, dass Biedenkopf alle Geschenke behalten dürfe. Ganz geheuer schien dem Jubilar diese Entscheidung des eigenen Kabinetts aber nicht, und so versprach er, zumindest die Uhr nur als Dauerleihgabe zu betrachten. Nach Ende seiner Amtszeit werde er das kostbare Stück zurückgeben.
Selbst die Opposition ging damals davon aus, dass er sich daran hält. Weil die Geschichte aber anders weiterging, hat Kurt Biedenkopf seit März 2004 eine Anzeige wegen des Verdachts einer Steuerstraftat am Hals. Gestellt hat sie mit Norbert S. ein ehemaliger sächsischer Beamter. Dem gegenüber hatte sich der Ex-Premier zuvor in einem Schreiben über den Verbleib der Uhr geäußert. Die hat Biedenkopf nie zurückgegeben, sondern gegen Zahlung des reinen Materialwerts behalten. Dass diese Summe deutlich unter 71 000 Euro lag, räumt Biedenkopf indirekt ein. „Dass ich den Mitarbeitern nicht die Vergütung der Arbeit angeboten habe, die sie mir zum Geburtstag schenken wollen, werden Sie sicher verstehen.“ Er habe sich aber mit einem Abendessen bedankt.
Doch Norbert S. verstand nicht und hat deshalb jetzt die Steuerfahndung im Dresdner Finanzamt 1 auf den Plan gerufen. Die soll prüfen, ob der Ex-Premier für das günstige Geschenk zumindest die vorgeschriebene Schenkungssteuer entrichtet hat, was S. stark bezweifelt.
Und noch einer hat die Spur aufgenommen. Der SPD-Abgeordnete
Karl Nolle will nun von der Staatsregierung per kleiner Anfrage wissen, warum sie die teure Uhr zu Gunsten Biedenkopfs eigentlich so lange aus den Augen verloren hat.
(Von Gunnar Saft)