DNN(LVZ, 14.05.2004
QMF-Affäre: Im Ministerium verhallte interner Protest gegen Fördermillionen
Dresden. Die Aussagen lassen an Klarheit wenig zu wünschen übrig. "Ich habe versucht, es zu vermeiden, den Zuwendungsbescheid abzuzeichnen", gab Erhard K. den Ermittlern zu Protokoll. "Ich wollte wegen verschiedener Punkte nicht verantwortlich gemacht werden." Es geht um die Dresdner Weiterbildungsgesellschaft QMF, und es geht um die Rolle leitender Beamter im sächsischen Wirtschaftsministerium. Die haben QMF zwischen 1999 und 2003 EU-Fördermittel in zweistelliger Millionenhöhe zukommen lassen - auf dubiosen Wegen, wie die Staatsanwaltschaft beinhart meint. Ihr Vorwurf lautet: Zweckentfremdung, Untreue und Subventionsbetrug. Und genau da war K. Referatsleiter im Wirtschaftsressort.
Seine Aussage ist Teil einer internen Protokollnotiz aus dem Wirtschaftsministerium und allemal geeignet, ein neues Licht auf die QMF-Affäre zu werfen. Denn erstmals belegt sie schwarz auf weiß: Beim Millionen-Deal um die Weiterbildungsgesellschaft war die mögliche Zweckentfremdung der EU-Mittel frühzeitig im Wirtschaftsressort bekannt; Ministeriumsmitarbeiter wie K. haben schriftlich vor der weiteren Auszahlung der Gelder gewarnt. Tenor: Die Förderung entspräche nicht den Richtlinien, und ganz nebenbei sei auch die sächsische Haushaltsordnung gebrochen worden. Doch Fakt ist: Trotz der internen Warnungen floss das Geld, wurden insgesamt 21,5 Millionen Euro an QMF bewilligt - unterzeichnet vom mittlerweile inhaftierten Ex-Abteilungsleiter Hans Neufischer.
Genau hier knüpft die Staatsanwaltschaft an. So hatte die Anti-Korruptionseinheit "Ines" Anfang Mai 30 Wohnungen und Büroräume durchsucht, darunter auch das sächsische Wirtschaftsministerium. Gegen 16 Verdächtige wird ermittelt, unter anderem gegen Neufischer, mehrere QMF-Geschäftsführer und Ex-Wirtschaftsstaatssekretär Wolfgang Vehse. Mit der jetzt vorliegenden Protokollnotiz kommt nicht nur die damalige Ministeriumsspitze weiter in Erklärungsnot, es drohen auch Rückforderungen der EU in zweistelliger Millionenhöhe.
Haushaltabteilung verweigerte Unterschrift
Das liegt nicht zuletzt am Referat 12. Das ist im Ministerium für Finanzen zuständig und muss laut Haushaltsordnung die Bewilligung von Fördergelder mit unterschreiben. Genau dies aber ist nicht geschehen. Das Finanzreferat, heißt es im Protokoll, "hat die Mitzeichnung des Zuwendungsbescheids verweigert". Auch dies hat nicht zu einem Stopp der EU-Förderung geführt - ein klarer Bruch der sächsischen Haushaltsordnung (Paragraph 9, Absatz 2, Satz 2).
Auch auf diesen Missstand haben Mitarbeiter von Ex-Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) bereits frühzeitig hingewiesen. Sachbearbeiterin Silke N. zum Beispiel bezieht sich dezidiert auf die Weigerung der internen Haushaltsexperten. "Die beteiligten Fachreferate", heißt es lakonisch im Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Dresden vom 29. April, "legten schriftlich ihre Bedenken nieder und wiesen deutlich darauf hin, dass eine Förderung nicht den Richtlinien entspräche". Doch nicht nur in dieser Hinsicht ist die Gerichtsbeschluss von Belang. Er konkretisiert auch den Verdacht der Zweckentfremdung: Offiziell diente OMF der Schulung und Qualifizierung von Mitarbeiter des Zentrums für Mikroelektronik (ZMD); tatsächlich aber waren "die Mitarbeiter weiter im Betrieb eingebunden", so der Wortlaut des Beschlusses. Gemeint ist damit die Sachsenring Automobiltechnik (SAG) samt Tochterfirmen, hinter der die Gebrüder Rittinghaus standen. Die hatten ZMD vom Freistaat gekauft.
Verheerend für das Wirtschaftsministerium aber ist eine weitere Tatsache. Die Ermittler sind nicht nur auf frühe Warnungen von Mitarbeitern gestoßen, sondern ebenso auf weitere mögliche Verstöße. "Aufgrund der Aussagen kann nicht ausgeschlossen werden, dass nicht nur im vorliegenden Fall auf eine Mitzeichnung durch den Haushaltsbeauftragten verzichtet wurde." Im Klartext heißt das: Es besteht der Verdacht, dass hinter den dubiosen Förderpraktiken à la QMF System gestanden haben könnte - frei nach dem Muster: Beschäftigungsgesellschaften erhalten freihändig EU-Gelder, Nutznießer sind nicht selten ehemalige Funktionäre der IG Metall.
Dazu gehört nicht zuletzt der QMF-Geschäftsführer Helmut Stachel. Der war zuvor Bevollmächtigter der IG Metall Zwickau, als Arbeitnehmervertreter aber ebenso für die SAG an den Verhandlungsgesprächen zum ZMD-Verkauf beteiligt - zum Beispiel am 7. Oktober 1998. Und bereits da ging es um eine mögliche Beschäftigungsgesellschaft, gefördert mit Mitteln der EU. Sitzungsleiter damals war Ex-Staatssekretär Vehse.
(Jürgen Kochinke)