Sächsische Zeitung, 15.05.2004
Populismus mal anders
Sächsisch betrachtet von Gunnar Saft
WAS ist schlimmer als ein Wessi? Zwei Wessis, haha! Wenn Sie, liebe Leser, über solchen Blödsinn lachen können, sind Sie wahrscheinlich SPD-Wähler. Zumindest scheint das die Landeschefin der Sozialdemokraten, Constanze Krehl, zu glauben, die auf dem jüngsten Parteitag alte Ost-West-Kamellen aufwärmte. Sie warf Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) vor, er könne als Nicht-Sachse kein Gefühl für den Freistaat entwickeln. Nun muss man Frau Krehl gegen den sofort aufbrandenden Protest auch aus den eigenen Reihen in Schutz nehmen: Als geborene Stuttgarterin wird die Europaabgeordnete schon wissen, wovon sie redet.
POPULISMUS geht aber auch besser. Naja, sagen wir mal: anders. Die Sachsen-PDS kümmert sich liebevoll um die Kleingärtner, will sie gleich per Gesetz unter Artenschutz stellen und diesem obendrein Verfassungsrang einräumen. Das wird zwar aller Voraussicht nach scheitern, aber wenn es nur eine einzige Wählerstimme bringt, hat es sich doch gelohnt, rechnen sich die roten Strategen im Hinterzimmer aus. Das können wir auch, scheint sich die CDU flugs gedacht zu haben und entdeckt eine andere Gruppe von Freizeitaktivisten für sich: die Angler. Denen verspricht man zwar nicht gleich ein verfassungsmäßiges Recht auf dicke Fische, aber immerhin adeln die Christdemokraten den Deutschen Anglerverband zur 50-Jahr-Feier in Dresden gleich mit der Anwesenheit von Bundeschefin Angela Merkel und Landeschef Milbradt. Bundeskanzler Gerhard Schröder war auch eingeladen, kann aber nicht kommen. Wahrscheinlich brütet er mit den sächsischen SPD-Wahlkämpfern in dieser Zeit über einer Strategie zur Wählergewinnung von Überraschungsei-Figuren-Sammlern („Mehr Happy Hippos für alle“).
MINDESTENS genauso sehr wie Parteien um Wähler kämpfen, sind die Gewerkschaften hinter jungen Neu-Mitgliedern her. Eine „Party mit politischen Inhalten“ in Dresden verspricht beispielsweise der Deutsche Gewerkschaftsbund. Der „politische Inhalt“ besteht vor allem aus einer Live-Übertragung des internationalen Schlager-Dudel-Wettkampfs „Eurovision Song Contest“. Schon mal eine ganz gute Idee, lieber DGB, aber warum nicht gleich eine eigene Casting-Show „Deutschland sucht den Super-Gewerkschafter“?