Karl Nolle, MdL

ND Neues Deutschland, 27.05.2004

Praktikanten-Affäre in Sachsen

Fördermittelbetrug: Minister räumt weitere Verdachtsfälle ein
 
Nach der sächsischen QMF-Fördergeldaffäre räumt der Wirtschaftsminister neue Verdachtsfälle ein. Die Opposition weist der Regierung die Schuld zu und droht mit einem Untersuchungsausschuss.

Neben dem Dresdner Weiterbildungsbetrieb QMF, der 21 Millionen Euro von der EU zu Unrecht kassiert haben soll, gibt es in Sachsen weitere Verdachtsfälle für unkorrekten Umgang mit Fördergeldern. Wirtschaftsminister Martin Gillo(CDU) sagte gestern im Landtag, in seinem Haus würden 80 Fördervorgänge geprüft. Darunter seien auch »revisionsbedürftige« Fälle, räumte der Minister ein.
Die Affäre um die Gesellschaft »Qualifizierung für Mikroelektronik und Fahrzeugtechnik« hatte vor drei Wochen zu Hausdurchsuchungen im Wirtschaftsministerium geführt. Gegen 16 Beschuldigte, darunter Ex-Mitarbeiter des Ministeriums, wird ermittelt; zwei Verdächtige sitzen in U-Haft.

Bei QMF sollten von 1999 bis 2003 insgesamt 444 ehemalige Beschäftigte des Zentrums Mikroelektronik Dresden (ZMD) und der Zwickauer Sachsenring AG (SAG) qualifiziert werden. Dafür flossen Gelder aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF). Tatsächlich verblieben die Mitarbeiter aber offenbar in den Betrieben. Laut Gillo wurden »unter der Bezeichnung Praktikum letztlich Personalkosten durch ESF-Mittel substituiert«. Für die Misstände bei QMF macht Gillo die Käufer verantwortlich. Sie hätten das Land für die Gründung einer Beschäftigungsgesellschaft haftbar gemacht, aber selbst QMF als Träger präsentiert.

PDS-Fraktionschef Peter Porsch sieht die EU »hinters Licht geführt« und Sachsens Ruf ramponiert, zumal Regierungschef Georg Milbradt zuletzt andere Länder für die falsche Verwendung von Fördergeldern gescholten hatte. Er kritisiert zudem fehlende Transparenz in der Förderpolitik. So würden ESF-Mittel nicht mehr im Etat ausgewiesen. 2003 seien aus dem Fonds zudem 37 Millionen Euro weniger abgerufen worden als geplant.

Der SPD-Abgeordnete Karl Nolle wirft der Regierung dagegen vor, bei der Veräußerung des faktisch landeseigenen Chipbetriebes ein »Versteckspiel« betrieben zu haben. So seien Sachsenring 150 Millionen Euro nicht genehmigter Beihilfen untergeschoben worden. Der Qualifizierungsbetrieb sei nur »ein weiteres kriminelles Meisterstück«. Die PDS droht deshalb, nach der Wahl im September einen Untersuchungsausschuss einzusetzen.

Nolle kritisiert, dass der Minister alle Verantwortung an einen Abteilungsleiter und Sachsenring delegiert. Dies erinnere an Ausreden in der Praktikantinnenaffäre von Ex-US-Präsident Bill Clinton: »Sie hatte mit ihm, er aber nicht mit ihr.«
(Von Hendrik Lasch)

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