DNN/LVZ, 18.06.2004
Sozialdemokraten unsozial zu Mitarbeiterin
Dresden. Die SPD versteht sich gerne als Interessenvertreterin der Arbeitnehmer. Nur mit den Interessen der eigenen Mitarbeiter nimmt es der sächsische Landesverband der Sozialdemokraten nicht ganz so genau. Die Quittung gab es gestern vom Arbeitsgericht Dresden. Die Kammer erklärte die Kündigung einer Schreibkraft der Landeszentrale für unwirksam. Eine schallende Ohrfeige für Landesvorsitzende Constanze Krehl, die die Kündigung der Mitarbeiterin nicht stoppte. "Ich bin bei ihr gewesen und habe ihr alles erklärt", sagte die im Dezember 2003 fristlos geschasste Anneliese Hardt, "aber Frau Krehl hat nur abgewinkt. Das müsste das Gericht entscheiden."
Anneliese Hardt hat sich nach Auffassung der SPD des Betrugs schuldig gemacht. Sie soll in drei Fällen überhöhte Fahrtkosten abgerechnet haben. Gesamtschaden: 3,90 Euro. Außerdem soll die behinderte Frau das Parteivermögen mit einem privaten Telefonat geschmälert haben. Nach einer Konferenz fühlte sie sich nicht wohl und rief vom Hotelzimmer aus die Landeszentrale an, um sich für den Folgetag abzumelden. Schaden: 60 Cent.
Als diese "betrügerischen Aktivitäten" aufgedeckt wurden, gab es kein Halten mehr: Anneliese Hardt wurde fristlos gekündigt. "Die haben mich von einen Tag auf den anderen auf die Straße gesetzt. Mit sozialem Verhalten hat das nichts zu tun", so die 55-Jährige, die selbst SPD-Mitglied ist und von Arbeitslosengeld lebt. Zehn Jahre lang hatte sie bei der SPD gearbeitet, nie wurde ihre Arbeit beanstandet. Sie sieht sich als Mobbing-Opfer, wie ihre Anwältin Susanne Wortmann erklärte.
Trotz skeptischer Bemerkungen des Gerichts argumentierte SPD-Anwältin Antje Rother unverdrossen, die Kündigung sei gerechtfertigt. Das Bundesarbeitsgericht habe sogar eine Kündigung wegen dreier gestohlener Kiwi-Früchte bestätigt, insofern spiele die Höhe des Schadens keine Rolle. Betrug sei Betrug. Das sah die Kammer vollkommen anders: Wegen solcher Lappalien könne einem Mitarbeiter nicht gekündigt werden, lautete sinngemäß das Urteil. Ob die SPD in Berufung gehen wird, ließ Rother offen.
"Kein Kommentar", hieß es aus der Landesgeschäftsstelle. "Ich bin froh, brauche aber starke Nerven, wenn ich wieder auf Arbeit gehe", sagte Anneliese Hardt.
(Thomas Hartwig)