Sächsische Zeitung, 26.06.2004
Streit um Landesliste und Nolle spaltet SPD
Parteichefin Krehl wegen Doppelmandat unter Druck
Die sächsische SPD steht wieder einmal vor einem politischen Schicksals-Wochenende. Der Grund: Die für Sonntag in Döbeln vorgesehene Entscheidung über die Kandidatenliste zur Landtagswahl am 19. September spaltet die Partei in zwei Lager und sorgt für ein heftiges Tauziehen hinter den Kulissen.
So haben die beiden auf Platz eins und zwei Gesetzten – Fraktionschef Thomas Jurk und Parteichefin Constanze Krehl – im Vorfeld auf den ersten 20 Listenplätzen jeweils zur Hälfte eigene Anhänger platziert. Was als Kompromiss zwischen Jurk und Krehl – die sich im Herbst beide Hoffnung auf den Vorsitz in der neuen SPD-Fraktion machen – gedacht war, löst an der Basis Streit aus.
Neben der Nominierung von etlichen unbekannten Parteifunktionären sorgt die Personalie
Karl Nolle für Zoff. Der wegen seiner harschen, aber öffentlichkeitswirksamen Aktionen umstrittene SPD-Abgeordnete hatte auf Drängen von Krehl zuvor als einziger Bewerber eine „Extra-Hürde“ nehmen müssen. Nachdem sich dabei aber diese Woche der Dresdner Unterbezirk für Nolle und gegen den als Konkurrenten aufgestellten und jetzt zurückgetretenen Unterbezirks-Chef Albrecht Leonhardt aussprach, will man im Krehl-Lager das Votum aber nicht anerkennen. Auf Anfrage bestätigte die SPD-Zentrale, dass man sich nicht an das Votum gebunden fühlt. Ein Abschieben Nolles auf den aussichtslosen Platz 21 und das Setzen Leonhardts auf Platz acht sei möglich, hieß es. Vor den Folgen dieser „Entscheidung im Stalin-Stil“ (Parteikritik) kann die SPD nur noch einer retten: Kandidat Leonhardt, der nun offenbar ganz verzichten will.
Rochade: Vom Mitarbeiter zum Ersatz-Abgeordneten
Unterdessen ist auch die SPD-Chefin selbst Vorwürfen wegen ihrer geplanten Landtagskandidatur ausgesetzt. Da Krehl bereits über ein neues EU-Mandat in Brüssel verfügt, wird sie sich spätestens im Herbst für einen Parlamentssitz entscheiden müssen. Im Fall ihres Verzichts auf das EU-Ticket steht aber eine heikle Personalie an: Nachrücker für Krehl würde ausgerechnet deren persönlicher Mitarbeiter André Findeisen. Entgegen den Geflogenheiten hatte Krehl dessen Nominierung auch nicht durch einen Parteitag sanktionieren lassen, sondern im Parteivorstand durchgesetzt. Für Findeisen wäre der Umzug nach Brüssel äußerst vorteilhaft, denn im dortigen Krehl-Büro arbeitet bereits seine Freundin.
Und als wäre das nicht genug, sorgt jetzt der Arbeitnehmerflügel für Unruhe. In einem Brief an Bayerns SPD-Chef Ludwig Stiegler fordern sächsische SPD-Gewerkschafter die sofortige Rücknahme von Parteiausschlüssen, die die Bayern zuvor gegen Kritiker der rot-grünen Reformpolitik im Bund ausgesprochen hatten. Indirekt auch eine Watsche für Sachsens SPD, die ebenfalls Abweichler rausgeworfen hat.
(von Gunnar Saft)