Sächsische Zeitung, 28.06.2004
Machtfrage auf Kosten der SPD-Chefin beantwortet
Krehl-Kritiker setzen sich im Streit um Landesliste durch
Bei einer faustdicken Überraschung sollte es nicht bleiben. Als Sachsens SPD-Vorsitzende Constanze Krehl erfahren musste, dass ihre Landtagskandidatur auf Listenplatz Nummer zwei – ohne Gegenkandidaten – nur mit einer hauchdünnen Mehrheit von drei Delegiertenstimmen akzeptiert wurde, gab es am Sonntag im Döbelner „Volkshaus“ kein Halten mehr. Im Minutentakt wurde der Listenvorschlag, den der Landesvorstand unter ihrer Führung in einer Nachtsitzung zuvor noch einmal drastisch überarbeitet hatte, zur Makulatur. Nach der Watsche für die Parteichefin fiel anschließend die Hälfte der ursprünglich auf den ersten zehn Plätzen Nominierten bei Kampfabstimmungen durch. Der zunächst auf Platz drei gesetzte Bildungsexperte Gunter Hatzsch sogar zweimal hintereinander.
Dafür setzten sich unisono Kandidaten durch, die bereits seit Wochen mehr oder weniger offen den politischen „Schmuse-Trott“ (Delegiertenkritik) der Landespartei gerügt hatten oder dem Lager von Krehl-Konkurrent und SPD-Fraktionschef Thomas Jurk zuzurechnen sind. Den weitesten Sprung nach vorn schaffte dabei Juso-Chef Martin Dulig – von Platz 31 auf Platz drei. Auch der Ex-Rektor der Uni Leipzig, Cornelius Weiss, verbesserte sich auf diese Weise von Platz 20 auf Platz fünf.
Der offen ausgetragene Personalstreit eskalierte in Döbeln endgültig zum inhaltlichen Richtungskampf als es um den Dresdner SPD-Landtagsabgeordneten
Karl Nolle ging. Offenbar in fataler Verkennung der Stimmung im Saal stempelte vor allem der Leipziger Bundestagsabgeordnete Gunter Weißgerber Nolle als gefährlichen Populisten ab, mit dem die Partei zur Landtagswahl im Herbst ein Ergebnis erziele, das „näher an fünf statt an 17 Prozent“ liegen werde. Die rüde Attacke verfehlte jedoch ihre erhoffte Wirkung. Das lag auch am souveränen Kandidaten Nolle selbst, dessen Rede – inklusive Entschuldigung für gemachte Fehler und dem trotzigen Versprechen, ein politischer Wadenbeißer zu bleiben – von den Delegierten in fast atemloser Stille verfolgt wurde. Am Ende reichte das klar für Platz acht.
Die deutliche Machtverschiebung innerhalb der Sachsen-SPD sorgte in Döbeln laufend für Rücktrittsgerüchte über Parteichefin Krehl. Die sichtlich Angeschlagene („Ein bitteres Ergebnis, das mich überrascht hat und für mich persönlich schwierig ist“) erbat sich jedoch 24 Stunden Bedenkzeit. Fraktionschef Jurk hielt sich unterdessen diplomatisch zurück. Das Votum der Delegierten habe der Landesliste und nicht dem Parteivorsitz gegolten, erklärte er, ohne auf den Hinweis zu verzichten, man müsse nun die Entscheidung von Constanze Krehl abwarten.
In den Gängen wurde unterdessen heftig diskutiert. Tenor: Die Entscheidung über die quälende Machtfrage an der SPD-Spitze war überfällig. Man müsse jetzt aber schauen, ob sie der Partei tatsächlich den lange vermissten Elan beschert oder nur neue, tiefe Wunden reißt. S. 1/4
(Von Gunnar Saft)