DNN/LVZ, 30.06.2004
SPD bricht mit Ära: Das Ende der "Kunckelrunden"
Dresden. Das Kapitel seiner Vorgängerin hat Thomas Jurk, amtierender Partei- und Fraktionschef der SPD, schnell beerdigt: "Was sollen wir noch über Constanze Krehl reden? Das ist vorbei, das ist Geschichte", sagte Jurk schon Montagabend, vier Stunden nach Krehls Rücktritt. Sie hatte damit die Konsequenzen aus einer schweren Wahlschlappe am Wochenende gezogen. Nach dem Ende des erbitterten Machtkampfes können nun einige Genossen ihr Dauergrinsen schwer verbergen und vor Kraft kaum laufen. Es herrscht, was oft nur Floskel ist, so etwas wie Aufbruchstimmung, seit der Gegner im Inneren geschlagen ist.
So wie sich die CDU in dieser Wahlperiode mühsam von Kurt Biedenkopf trennte und Georg Milbradt an die Spitze stellte, vollzog nun auch die SPD den Machtwechsel von der alten Garde zur neuen Generation. Der schnelle Schnitt bedeutete zugleich das Ende der Ära Karl-Heinz Kunckels, der als Partei- und Fraktionschef viele Jahre Geschicke und Gesichter der sächsischen SPD bestimmte. Kunckel feiert heute seinen 60. Geburtstag und verabschiedet sich aus dem Landtag.
Der Ingenieur aus Radebeul stand stets für den Konsens mit den Mächtigen in SPD und CDU, besprach bei Spaziergängen mit Kurt Biedenkopf Leitlinien der Landespolitik und übte sich in machtpolitischen Alleingängen. Kunckel war es auch, der nach seinem Scheitern Krehl und Jurk zu seinen Nachfolgern kürte und bis zuletzt am Spitzen-Duo für den Wahlkampf festhielt. Das ist nun passé. Der letzte seiner Getreuen, der tief enttäuschte Leipziger Abgeordnete Gunther Hatzsch, wurde vom 30-jährigen Juso-Chef Martin Duhlig verdrängt.
Statt Zentralismus und "Kunckelrunden" solle es, so heißt es wie üblich, unter Jurks Führung mehr innerparteiliche Demokratie geben. Ein Friedenssignal, auf dessen Einhaltung die Kritiker noch warten: Sein Versprechen, Solidarität zu zeigen und die Unterlegenen ins Boot zu holen, müsse der Übergangschef erst in die Tat umsetzen. Immerhin: Termine mit dem Chemnitzer IG-Metaller Sieghard Bender, der mit seinem Wahlbündnis "Perspektive" den Bruch mit der SPD wagte, sowie mit dem Krehl-Vertrauten und Leipziger Unterbezirkschef Gunter Weißgerber sind schon gemacht. Ob aber die Widersacher nach einem möglichen Wahldebakel stillhalten, wird von Jurks Integrationskraft abhängen.
Vorbei sein soll es nicht nur mit dem obrigkeitsorientierten Stil der alten Volkskammer-Fraktionäre, sondern auch mit der Nibelungentreue zur Bundesregierung, durch die sich Krehl ausgezeichnet hatte. Schon gestern dachte Jurk im Deutschlandfunk laut über die Verschiebung der Arbeitsmarktreform nach. "Man muss die sächsischen Interessen wieder mehr in den Mittelpunkt rücken", sagte Jurk.
Jurk bestreitet die Sandwich-Lage zwischen PDS und CDU. "Dazwischen ist noch viel Luft", sagt Jurk. Doch wie sich die Zehn-Prozent-Partei zwischen den großen Konkurrenten profilieren will, bleibt vorerst ihr Geheimnis. Zumindest will der neue Chef in der Sozialpolitik das an die PDS verlorene Terrain zurückerobern. So steht er zwar für einen offenen Umgang mit den Sozialisten - doch die Konkurrenz könnte zugleich härter werden.
(von Sven Heitkamp)