Dresdner Morgenpost, 01.07.2004
Eine zerstrittene Formation wird keinen Erfolg haben
Interview mit SPD-Chef Thomas Jurk
DRESDEN - Seit Dienstagabend ist der Lausitzer Thomas Jurk (42) neuer Chef der Sachsen SPD. Morgenpost-Redakteur Stefan Locke sprach mit Jurk über Partei, Landtagswahl und Vorgängerin Constanze Kahl.
Herr Jurk, hat Ihnen SPD-Chef Franz Müntefering schon zum Landes-Vorsitz gratuliert?
Thomas Jurk: Ja, heute Morgen. Ich habe viele Glückwünsche gekriegt - nicht nur aus der Partei, sondern von vielen Menschen, die hoffen, dass ich der SPD tatkräftig zu politischem Erfolg verhelfe.
Was sind Ihre ersten Aufgaben als neuer Partei-Chef?
Wir müssen uns für die Landtagswahl fit machen - also einen Schlussstrich unter Personalgeschichten ziehen und uns mit den politischen Mitbewerbern aus
einandersetzen.
Aber die SPD ist doch noch tief gespalten.
Klar wirken manche Verletzungen nach. Aber die Mitglieder wissen ganz genau: Eine zerstrittene, Formation wird keinen Erfolg haben.
Wichtig ist für mich, diejenigen einzubinden, die sich als Verlierer fühlen. Deshalb reise ich jetzt durch die Unterbezirke, vor allem nach Chemnitz und Leipzig. Ich möchte, dass die Leute das Gefühl haben: Jurk kommt auf sie zu und gemeinsam packen wir's. Klar ist aber auch: Es gab eine Personalentscheidung und ich erwarte, dass die gemeinsam getragen wird.
Werden Sie als alleiniges SPD Gesicht in den Wahlkampf ziehen oder gibt es ein Kompetenzteam?
Die Werbelinie müssen wir jetzt ändern. Seit Sonntag ist ja klar, dass es nur noch einen Spitzenkandidaten gibt. Der hat die Last der Verantwortung, aber auch die Lust, das machen zu können, was er sich vorstellt. Da ist manche Fessel gelöst. Wir haben Fachleute, die wir einbeziehen. Denn wir wollen uns jetzt sachlich mit dem Gegner auseinander setzen.
Trägt die geklärte Personalfrage dazu bei?
Ich glaube,die Klärung kam gerade noch rechtzeitig. Die Partei wollte eine klare Entscheidung, auch wenn sich jetzt alles ein bisschen überschlagen hat. Jetzt müssen wir Leute gewinnen, die uns auch wählen. Das ist unser Hauptproblem.
Mit welchen Themen wollen Sie die Leute erreichen?
Wirtschaft und Arbeit, Bildung und soziale Gerechtigkeit.
Werden Sie sich vom Kurs der Bundesregierung abgrenzen?
Nein. Der Bundeskanzler wird am 24. August bei der Wahlkampferöffnung in
Leipzig sein. Alle wissen: Reformen müssen sein.
Aber wir gucken genau, wie sie sich auf Sachsen auswirken, um nachsteuern zu
konnen.
Was ist Ihr Wahlziel?
Die 10,7 Prozent von 1999 deutlich zu verbessern.
Sie haben mit lhrer Vorgängerin Frau Krehl gesprochen. Welchen Eindruck hatten Sie?
Sie war sehr gefasst und hat deutlich gemacht, dass sie weiter für die SPD in Sachsen arbeiten will. Auf ihre Vorwürfe bin ich nicht mehr eingegangen. Ich verstehe, dass sie menschlich tief getroffen ist, und ich wünsche ihr, dass sie das überwinden kann. Sie braucht jetzt Zeit, um alles zu verarbeiten
Werden Sie auch nach der Landtagswahl im September SPD-Chef bleiben?
Ich habe nicht vor, nur als Übergangsvorsitzender zu agieren.