Sächsische Zeitung, 12.07.2004
Sächsische Ablehnungsfront
Schwerer Stand für SPD-Chef Müntefering in Dresden
Dresden. Im Streit um die Hartz-IV-Reform stehen sich auch innerhalb der SPD unversöhnte Fronten gegenüber. Den Beweis lieferte eine hochkarätige Podiumsdiskussion beim Herbert-Wehner-Bildungswerk gestern in Dresden. Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering persönlich setzte sich gegen eine sächsische Ablehnungsfront zur Wehr.
Der DGB-Landesvorsitzende und Landtagsabgeordnete Hanjo Lucassen wies auf eine wesentliche Differenz hin: Anders als im Westen sei in Ostdeutschland die Zahl der Arbeitslosenhilfeempfänger fünfmal so hoch wie die der Bezieher von Sozialhilfe. Und sie würden künftig erheblich schlechter gestellt. Auch wachse die Zeit der Langzeitarbeitslosen weiter. Überhaupt bemängelte Lucassen, dass viele in den neuen Ländern schon den Eindruck hätten, in einer Sonderregion zu leben.
Aus dem Publikum assistierte ihm der Abgeordnete
Karl Nolle. Es sei ein „West-Hartz“ beschlossen worden, schimpfte er und forderte Sonderregelungen für den Osten.
„Lieber Karl!“, antwortete Müntefering, es sei schon erstaunlich, wie leicht er die Rolle des Bundesrats bei der Reform zur Seite schiebe. Er verteidigte die Beschlüsse als „unverzichtbar“. Arbeitslose müssten besser vermittelt und an den Arbeitsmarkt herangeführt werden. Und es gebe auf jeden Fall mehr Arbeit, „als heute gehoben ist“. Im übrigen könne sich die Regierung nicht den Zwängen der Globalisierung entziehen und auf Reformen verzichten.
Hans-Jochen Vogel, SPD-Chef vor vier Generationen sprang ihm bei und nahm Lucassen in Mithaftung. Er ärgere sich, dass Gewerkschafter wie Verdi-Chef Frank Bsirske in Aufsichtsräten nicht für eine Begrenzung der Managergehälter sorgen. Das brachte Beifall. (SZ/öse)