DNN/LVZ, 09.08.2004
Stasi-Vorwürfe gegen Porsch - PDS-Mann in Erklärungsnot
Dresden. Der Kandidat wirkte angeschlagen. Zerknirscht und rosa angelaufen saß Fraktionschef Peter Porsch gestern in der Dresdner Wahlfabrik, der PDS-Zentrale im Wahlkampf - und musste sich verteidigen. Er habe "nicht berichtet", meinte er genervt, er wisse nicht, "wer das war und wo Berichte verfasst" worden seien. Es ging um beinharte Vorwürfe. Porsch, eloquenter Spitzenkandidat der PDS aus Sachsen, soll nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins Focus für die Stasi gearbeitet haben, als IM Christoph. Und dabei habe er - eine bittere Pointe - auch seine damalige Lebensgefährtin bespitzelt, seine heutige Frau Regine.
Indiz für diesen Vorwurf ist ein Treffen in Leipzig 1984. Damals trat die SED-kritische Autorin Christa Moog in der Privatwohnung von Porschs heutiger Frau auf, las aus ihren Werken. Es kamen Schriftsteller wie Lutz Rathenow, einige West-Journalisten - und Porsch. Laut Aktenlage aus der Birthler-Behörde hatte das Folgen. IM Christoph berichtete nicht nur von dem Treffen, sondern habe sich auch zwei Mal mit einem Stasi-Oberleutnant im Interhotel Stadt Leipzig getroffen.
Für Porsch ist das "Schnee von gestern". Zwar habe die Lesung in der Tat so stattgefunden; zwar habe das MfS Interesse an Moog gehabt. Dies aber sei "seit vielen Jahren bekannt". Und vor allem: Er sei nicht als Spitzel aufgetreten. Sollte es die Unterlagen geben, sei er vielleicht "abgeschöpft" worden - "unwissentlich". Eine Verpflichtungserklärung als IM jedenfalls habe er nie unterschrieben.
Laut Focus aber war die Szene gar nicht Ausgangspunkt für IM Christoph. 1984 sei Porsch vielmehr nur ausgeliehen worden, als "zuverlässige" Kraft an die Leipziger Stasi. Eigentlich habe er Auslandsspionage betrieben, seit 1970 für die Hauptverwaltung Aufklärung (HVA), Abteilung XII. Grund für das HVA-Interesse: Porsch kam 1968 als Student von Wien nach West-Berlin, hatte Kontakte in den Osten. 1973 ging er endgültig in die DDR - und wurde damit zum Objekt der Stasi-Begierde.
Auch das streitet Porsch nicht ab. Er sei bei seiner Übersiedlung sicherlich "betreut" worden, sagte er gestern. Das aber belege nichts. "Wer mich abgeschöpft hat, weiß ich nicht." Ähnliches gelte auch für die Operative Personenkontrolle "Organisator" gegen Moog, in der Christoph laut Aktenlage eine Rolle gespielt hat. Laut Focus existiert die Abschrift eines Tonbandprotokolls, in dem der IM auch über seine Freundin plaudert, der heutigen Regina Porsch. Peter Porsch dagegen beteuert, er habe "nichts davon bemerkt". Darüber hinaus sei er als Abgeordneter bereits drei Mal Stasi-überprüft worden, ohne Ergebnis.
Damit wird die Affäre zum doppelten Verwirrspiel. Zum einen existiert offensichtlich in der Tat keine Verpflichtungserklärung von Porsch. Dies allerdings könnte daran liegen, dass die HVA die Akten nahezu komplett vernichten konnte. Zum anderen gibt es die so genannten Rosenholz-Dateien mit Klarnamen westlicher MfS-Mitarbeiter. Die Akten sind kürzlich aus den USA zurückgekehrt und könnten nun auch Licht ins Dunkel im Fall Porsch bringen.
Für den PDS-Spitzenmann im Wahlkampf ist das höchst unkomfortabel. Klar ist aber ebenso:Erste Hinweise gab es in Dresden bereits vor rund einem halben Jahr, in der hoch geheimen Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) des Landtags. Damals tauchte ein Vermerk aus den Archiven des Verfassungsschutzes auf, es ging um Verbindungen zwischen Porsch und Rosenholz aus dem Jahr 1970. Eine Überprüfung der Abgeordneten mit Hilfe der Rosenholz-Dateien aber hat in Sachsen bis heute nicht statt gefunden.
(von Jürgen Kochinke)