DNN/LVZ, 26.08.2004
Verdacht: Millionen für ZMD ohne Wissen der EU
Dresden. Kurz vor der Landtagswahl im September droht Sachsen ein neuer Fördermittelskandal. Jetzt aufgetauchte Geheimpapiere aus dem Wirtschaftsministerium erhärten den Verdacht, dass die CDU-geführte Staatsregierung zwischen 1993 und 1996 Beihilfen zweckentfremdet und dies gegenüber Brüssel verschleiert hat. Dabei handelt es sich um Fördergelder für den Chiphersteller Zentrum für Mikroelektronik Dresden (ZMD) in Höhe von über 21 Millionen Euro.
Laut Aktenlage hat das Ministerium unter dem damaligen Ressortchef Kajo Schommer (CDU) die Millionenhilfe als Technologieförderung gewährt, obwohl diese damit "nicht unmittelbar in Zusammenhang" stand. Eine solche Beihilfe aber wäre bei der EU nicht genehmigungsfähig gewesen. Um ein Prüfverfahren zu vermeiden, erstellten Ministeriumsmitarbeiter offensichtlich Verrechnungslisten, in denen die 21 Millionen nicht auftauchten. Das interne Papier vom Mai 2000, das der Leipziger Volkszeitung vorliegt, stammt von Abteilungsleiter Ulrich Schlicht und ging sowohl an Schommer wie den damaligen Staatssekretär Wolfgang Vehse. Weitere Dokumente belegen Absprachen darüber, der EU nur unverfängliche Dokumente zuzuleiten.
Das Wirtschaftsministerium bestätigte gestern die Existenz der Unterlagen. Laut Sprecherin Annette Binninger beschäftigt sich derzeit die Innenrevision mit dem Vorgang, darüber hinaus seien die Akten der Staatsanwaltschaft übergeben worden. Das Ministerium sei "an schneller Aufklärung interessiert".
Die Opposition kritisierte das Fördergeschäft. Laut
Karl Nolle (SPD) belegen die Dokumente "kriminelle Methoden der CDU-Regierung". Darüber hinaus sei es nicht vorstellbar, dass der heutige Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) davon keine Kenntnis gehabt habe. Milbradt war damals Finanzminister. Ähnlich argumentierte die grüne Spitzenkandidatin Antje Hermenau. Milbradt wies die Vorwürfe vor dem Untersuchungsausschuss im Landtag zurück. Er habe "an den Dingen nicht mitgewirkt", sagte er gestern. Die CDU stellte sich hinter den Regierungschef. PDS-Obmann Klaus Tischendorf warf Milbradt vor, den "Skandal in Kohlscher Manier aussitzen" zu wollen. Nolle stellte gestern Strafanzeige wegen schwerer Untreue, Beihilfebetrug und Dokumentenfälschung.
(I.P./J.K.)