Sächsische Zeitung, 11.09.2004
Keine Kinder? Dann eben Schafe!
Sächsisch betrachtet von Gunnar Saft
WEM ist im Wahlkampf noch zu trauen? Ganz einfach: der kindlichen Unschuld. Und so werben einige Politiker jetzt fleißig mit sächsischem Nachwuchs. Im Fall von Sozi
Karl Nolle, der auf Postern Enkeltochter Lilian-Sophie auf dem Arm hält und sich als „Opa Karl“ feiern lässt, ist es sogar echter. Georg Milbradt, Spitzenkandidat der CDU, musste dagegen jetzt auf einen Trick zurückgreifen: Die ebenfalls zweieinhalb Jahre alte Lara, die mit Milbradt auf Fotos fröhlich um die Wette lächelt, gab es nur leihweise. Laras Papa arbeitet in der CDU-Landesgeschäftsstelle und half dem großen Chef gern aus. Süß sind beide Frätze gleichermaßen. Aber aufgepasst, zur Wahl stehen nur die beiden Herren, lassen Sie sich nicht täuschen!
GANZ anders versuchen es die Bündnisgrünen: Sie setzen im Wahlkampf voll auf Tiere. Noch harmlos ist dabei ein T-Shirt, auf dem man sich selbstironisch mit dem Schriftzug „Fröscheversteher“ outet. Hart an der Schamgrenze, aber an den Infoständen der Partei von Interessenten heiß begehrt, ist ein Aufkleber mit dem Slogan: „Auch gut zu Vögeln – Ihre Grünen!“ Der ist meist schon nach wenigen Minuten vergriffen. Warum, weiß der Geier. Der tierische Höhepunkt im Wahlkampf steht aber schließlich nächste Woche in Leipzig an. Dann will man auf einer Wahlveranstaltung am Kulkwitzer See ein komplett lebendiges Schaf verlosen. Määääh! Was uns die Grünen mit der Aktion sagen wollen, bleibt vorerst unklar. Vielleicht ist es ja ein schwarzes Schaf und muss rechtzeitig vor dem Wahltag entsorgt werden.
AUF dieses Angebot scheint das sächsische Sozialministerium regelrecht gewartet zu haben. Denn kaum hatten die Grünen ihre Ankündigung öffentlich gemacht, verschickte das Ministerium diese Woche eine eigene Pressemitteilung. Inhalt: Die Gebühren in den Tierkörperbeseitigungsanlagen des Freistaates werden künftig um bis zu 20 Prozent sinken. Zur Begründung hieß es, dass die „Rohware“ ab sofort in einem neuen Werk zentral verarbeitet wird, wodurch man eine „bessere Auslastung und höhere Kapazitäten“ erreicht. Dem Schaf vom Kulkwitzer See kann man deshalb jetzt nur kräftig die Daumen drücken. Hoffentlich sorgt das Losglück dafür, dass es in die Hände eines Tierliebhabers fällt. Passiert das nicht, kommt der neue unfreiwillige Besitzer womöglich auf schlimme Gedanken. Es sei denn, ein Politiker kürt das arme Tier noch rechtzeitig zu seinem Maskottchen und präsentiert sich damit auf einem Wahlplakat.