DNN/LVZ, 14.10.2004
Der Wolf im Schafspelz
Dresden. Als die rechtsextreme NPD vor zwei Tagen zu ihrer ersten offiziellen Veranstaltung im Landtag rief, ging es weitgehend staatstragend zu. "Sachpolitik" wolle die Fraktion betreiben, sagte Peter Marx, der neue, aus dem Saarland stammende Fraktionsgeschäftsführer. Es gehe um Tourismusförderung, Genforschung und deutsche Musik. Und kaum ein Wort erinnerte an jene ausländerfeindlichen Parolen, die NPD-Vertreter gerne auf Straßen skandieren. "Der Pulverdampf des Wahlkampfs ist verzogen", sagte Marx und meinte: Im Parlament gelten andere Regeln.
Beim sächsischen Verfassungsschutz ist diese Politik auf Samtpfoten seit langem bekannt. Die Rechtsextremisten, heißt es in einer Wahlanalyse, seien eine Art "Wolf im Schafspelz". Sie würden sich abgrenzen, "ohne ihren extremistischen Kern erkennen zu lassen". Im Klartext: Beim NPD-Kampf um die Parlamente gehe es vor allem um Taktik, Provokation fällt vorerst aus.
Genau hier nimmt Marx, der auch NPD-Landeschef im Saarland ist, offensichtlich eine Schlüsselstellung ein. Er war es, der am Dienstag in Dresden auf dem Podium saß, er leitete erkennbar die öffentliche Inszenierung. Und selbst Fraktionschef Holger Apfel, sonst um harte Worte - "wir sind der nationale Widerstand" - nicht gerade verlegen, pflichtete bei: "Wir sind konsensorientiert."
Das entspricht offensichtlich dem neuen Stil der Rechtsextremen in Sachsen. Hinter Apfel sitzen im Fraktionsvorstand mit Alexander Delle (Schatzmeister) und Matthias Paul (Schriftführer) zwei Jungkader aus dem Umfeld der "Deutschen Stimme" in Riesa. Als Fraktionsvize fungiert der Arzt Johannes Müller aus Sebnitz, als Parlamentarischer Geschäftsführer Uwe Leichsenring. Jene Abgeordneten aber, die durch krumme Geschäfte aufgefallen waren, sind nicht im Führungsgremium platziert.
Das betrifft nicht zuletzt NPD-Landeschef Winfried Petzold. Der 61-Jährige war in einem Baumarkt in Grimma beim Klau eines Elektrokleinteils aufgeflogen. Die Anzeige wurde wegen Geringfügigkeit eingestellt. Zum größeren NPD-internen Problemfall aber dürfte Klaus-Jürgen Menzel werden. Der 64-jährige Landesvize hatte laut Bild-Zeitung Ärger mit Parteibeiträgen. Vor allem aber ist er rechtskräftig verurteilt - zwei Jahre auf Bewährung wegen Untreue. Grund: Für Tausende Euro hatte Menzel Jagdreisen vermittelt, ohne Genehmigung. Hinzu kamen Anzeigen, auch wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz (Januar '03).
Das Delikt war zwar nicht beweisbar, für die Strippenzieher in der NPD ist Menzel dennoch ein Problem. Noch immer haben die NPDler das unrühmliche Ende der rechtsextremen DVU in Sachsen-Anhalt im Kopf, die 1998 in den Landtag einzog, sich aber wegen unschöner Delikte - Diebstahl, Tierquälerei, Kinderpornos - selbst erledigte. NPD-Insider gehen deshalb davon aus, dass Menzel zumindest seinen Posten als NPD-Landesvize in Kürze verliert.
Ob das zum Aufbau einer Kader-Opposition ohne Schmuddel-Image reicht, ist offen. Vor allem der aufbrausende Apfel dürfte noch das eine oder andere Mal die Maske fallen lassen. "Wir betreiben Fundamentalopposition immer da, wo es um fundamentale Punkte geht", hatte er selbst in der moderaten Runde am Dienstag gesagt. Aber damit war ja wohl der "Kampf um die Straße" gemeint.
Jürgen Kochinke