Sächsische Zeitung, 15.10.2004
Schwere Startblöcke
Während CDU und SPD zäh verhandeln, wächst die öffentliche Unruhe um die NPD
Pünktlich 9 Uhr werden heute die Handwerker im Plenarsaal des sächsischen Landtages Einzug halten. Mit Hammer und Schraubenzieher setzen sie dann eine Entscheidung um, auf die sich am Vortag die Vertreter der sechs neuen Fraktionen überraschend schnell geeinigt haben: die neue Sitzordnung im Parlament.
Ansonsten steht kurz vor der konstituierenden Sitzung der 124 Abgeordneten am kommenden Dienstag lediglich die Tagesordnung fest. Die sieht die Wahl des neuen Landtagspräsidenten, seiner Stellvertreter, eines Schriftführers und des Wahlprüfungsausschusses sowie die Einigung auf eine Geschäftsordnung vor. Nicht mehr und nicht weniger.
Kampf um Büroraum in politischer Zwangspause
Für das politische Tagesgeschäft tauchen dagegen immer mehr Fragezeichen auf. So sorgen die bislang ergebnislosen Koalitionsgespräche zwischen CDU und SPD nicht nur weiter für ein heftiges Däumchendrehen in den Ministerien, sondern nächste Woche auch für ein politisches Novum. Der Landtag tritt zur ersten Sitzung zusammen, ohne dabei wie üblich einen Ministerpräsidenten zu wählen und dessen Ministerriege zu vereidigen. Praktisch folgt der Sitzung eine Politikpause. Ein Zustand, der laut Verfassung noch drei Monate anhalten kann. Spätestens dann müssen CDU-Unterhändler Georg Milbradt und sein SPD-Kompagnon Thomas Jurk ihre Regierungsmannschaft präsentieren oder sie riskieren eine Neuwahl.
Doch je mehr sie diese Zeitspanne ausreizen, desto größer wird die Unruhe rund ums Parlament. Innen tobt zunächst ein Kampf um die knappen Räume. Weil die Neulinge FDP, Grüne und NPD nur unzureichend mit Büros versorgt sind, holt vor allem die NPD schon einmal den Knüppel aus dem Sack und droht sofort märtyrerhaft mit Verfassungsklage. Doch daraus wird nichts, denn nun soll das neue Landtagspräsidium schon am 21. Oktober eine Lösung präsentieren. Die zuvor bis zum April 2005 geplanten räumlichen Notvarianten sind vom Tisch.
Draußen vor der Tür droht dagegen am Dienstag vor allem der Kampf um die Köpfe. Aus Protest gegen den Einzug der NPD in den Landtag haben zahlreiche Parteien und Bürgerinitiativen zu einer Kundgebung vor das Parlamentsgebäude gerufen. Dort erwarten sie nicht nur ein Polizeiaufgebot, sondern auch hüfthohe Absperrgitter. Im Plenarsaal werden zur gleichen Zeit über 100 Journalisten den Startschuss der neuen Legislaturperiode verfolgen. Der 71-jährige Alterspräsident Cornelius Weiss (SPD) kündigte an, in der Eröffnungsrede vor dem „Irrglauben“ zu warnen, dass sich das Thema NPD von selbst erledigt. Für Weiss, dem langjährigen Leipziger Uni-Rektor, ist die Auseinandersetzung mit den „dumpfen Parolen“ immer noch der beste Weg.
Von Gunnar Saft