Sächsische Zeitung, 21.10.2004
Angelangt in der Mitte der Gesellschaft
Die NPD macht sich die Proteststimmung zu Nutze – Auszug aus dem neuen SZ-Buch
Sachsen, das lange als das Musterland des Aufbaus Ost galt, trudelt offenbar in eine ungewisse Zukunft. Ein Drittel der Wähler hat den demokratischen Volksparteien den Rücken gekehrt. Die Ränder sind gestärkt, die Mitte geschwächt.
Viele führen den Erfolg der Rechtsextremisten vor allem zurück auf ihre Kampagne gegen die Arbeitsmarktreform sowie auf die als sehr negativ wahrgenommene Wirtschaftslage. Nicht länger scheint die NPD für viele eine Außenseiterpartei jenseits des politischen Anstands zu sein; für viele ist hier offensichtlich die Lösung der aktuellen gesellschaftspolitischen Probleme im Land verborgen. Die NPD scheint gesellschaftsfähig geworden zu sein. Sie ist „in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, betont Olaf Vahrenhold vom sächsischen Verfassungsschutz.
Im Wahlkampf hatte sich die NPD mit einer Mischung aus sozialem Populismus und bürgerlicher Erscheinung präsentiert. Die Plakate thematisierten vor allem Hartz IV, und auf Flugblättern wurde in erster Linie eine Kürzung der Politikerdiäten versprochen. Man versuchte, sich so seriös wie möglich zu geben.
Eine ernste Gefahr
Nach den beachtlichen Wahlerfolgen der Rechtsextremen sowohl bei der Europawahl 2004 als auch bei den Landtagswahlen im Saarland, in Brandenburg und Sachsen wird nun die Frage nach einer ernsthaften Gefahr für die Demokratie laut. Gerade wenn sich die wirtschaftliche Lage in Deutschland nicht grundlegend ändert, ist zu befürchten, dass immer mehr Menschen ihr Heil in rechtsextremen Parteien suchen. Langfristig könnten die Rechten dadurch zu einem ernst zu nehmenden politischen Akteur und damit zu einer Gefahr werden: nämlich dann, wenn sie es schaffen, sich gesellschaftlich weiter so zu etablieren, dass sie es irgendwann schwer machen könnten, eine Regierung der Mitte zu finden und zu bilden.
Gesicherte Mehrheiten der Mitte müssen aber in den Parlamenten langfristig vorhanden sein – auch aus diesem Grund muss ein weiteres Erstarken rechtsextremer Parteien verhindert werden. Zwar ist vielerorts die Ansicht zu hören, die Wahlergebnisse sollten nicht dramatisiert werden, doch ist der Erfolg der rechtsextremen Parteien bei den Wahlen in Sachsen und Brandenburg keineswegs nur als Strohfeuer zu betrachten. (SZ)
Die braune Gefahr in Sachsen: Taschenbuch, 7,90 €. Voraussichtlich ab 25.10.2004 lieferbar