Welt am Sonntag, 31.10.2004
Heftiger Streit um die Leasing-Tochter der Sachsen LB
Ein Prüfbericht erhitzt die Gemüter
Dienstwagenaffäre, Bespitzelungsvorwürfe, Frauengeschichten - als sei die Landesbank Sachsen (Sachsen LB) unter ihrem Vorstandschef Michael Weiss in der ersten Jahreshälfte nicht schon genug in die Schlagzeilen geraten, zieht jetzt der nächste Skandal in Leipzig hoch. In dessen Mittelpunkt stehen die MDL Mitteldeutsche Leasing AG, an der die Sachsen LB mehrheitlich beteiligt ist, und MDL-Vorstandschefin Andrea Braun. Gegen die Lebensgefährtin von Weiss erhebt der MDL-Minderheitsgesellschafter, die Tutzinger IIL Industrie- und Immobilien Leasing GmbH unter dem früheren MDL-Vorstand Ludwig M. Hausbacher, massive Vorwürfe. Braun habe "Millionen unerlaubt an die Sachsen LB verschoben, Pflichten verletzt und das Neugeschäft der MDL absichtlich behindert".
IIL stützt sich dabei auf einen 114seitigen Bericht über eine Sonderprüfung, mit der die MDL-Hauptversammlung die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte & Touche beauftragt hatte. In dem Bericht, der "Welt am Sonntag" vorliegt, heißt es über Braun: "Wir haben ... festgestellt, daß Frau Andrea Braun mit der Einstellung des Vertriebes, der Schließung der Filialen sowie der Nichtdurchführung von Neugeschäft im Geschäftsjahr 2004 bestehende Zustimmungserfordernisse der Hauptversammlung mißachtet und daher ihre Verpflichtungen verletzt hat. Sie hat faktisch die stille Abwicklung eigenmächtig eingeleitet."
Zudem habe Braun pflichtwidrig Zins- und Tilgungszahlungen für "als eigenkapitalersetzend zu qualifizierende Finanzierungen" an die Sachsen LB geleistet, aus denen die Prüfer Rückforderungsansprüche der MDL gegen die Sachsen LB in Höhe von 6,225 Millionen Euro ableiten. Die IIL fordert nun die Abberufung der Vorstandschefin und hat ihre Rechtsanwälte beauftragt, schadenersatzrechtliche Ansprüche gegen Frau Braun und die Sachsen LB zu prüfen und geltend zu machen.
Die Sachsen LB sieht sich indes von dem Gutachten bestärkt und verweist auf Vorwürfe, die von den Prüfern auch gegen Hausbacher erhoben werden. Doch Prüfer wie Landesbank übersahen, daß das Landgericht Leipzig am 29. September auf Klage von Hausbacher in seinem Urteil feststellte, daß der ehemalige MDL-Vorstand keine Pflichten verletzt habe. Vorläufiger Höhepunkt der Auseinandersetzung: Der von IIL in den dreiköpfigen MDL-Aufsichtsrat entsandte Jürgen Geißinger, im Hauptberuf Chef der Herzogenauracher INA-Holding Schaeffler KG, ließ eine für diesen Donnerstag terminierte Sitzung des Gremiums platzen. Begründung: Aufsichtratschef und Sachsen-LB-Vorstand Rainer Fuchs habe ihm untersagt, Berater an der Sitzung teilnehmen zu lassen, bei der es um die Abberufung von Frau Braun gehen sollte.
Die Mitglieder des Verwaltungsrates der Sachsen LB, darunter Finanzminister Horst Metz (CDU), sind inzwischen von der IIL über den Bericht von Deloitte & Touche informiert worden. In Sachsen, wo der Streit um die Landesbanken-Tochter mitten in die Koalitionsverhandlungen über die künftige Landesregierung unter Georg Milbradt (CDU) platzt, rechnet man jetzt fest mit einer Fortsetzung der Angelegenheit.
Die scheint in der Tat sicher. Denn Andrea Braun hat nach Informationen von "Welt am Sonntag" Deloitte & Touche telefonisch aufgefordert, den Bericht zurückzuziehen. Geschehe dies nicht, werde MDL die Prüfer verklagen.
Die aber, so heißt es aus Prüferkreisen, stehen zu ihrem Bericht.
von Michael Schneider