Börsen-Zeitung, 14.12.2004
Sachsen LB als Schnäppchen
Wenn es denn so einfach wäre. Mit Recht freut sich der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) über die von Moody's zugesprochene Mindestbewertung von "A1" für die S-Finanzgruppe, bestehend aus Sparkassen, Landesbanken und Landesbausparkassen. Kein Institut könne fortan unter diese "sehr gute Marke des Rating-Floors fallen", versicherte DSGV-Präsident Dietrich Hoppenstedt. Nur leider dürfte das verbandspolitisch so wichtige Gut-Rating kaum gegen das Schlecht-Rating eines Einzelinstituts wie der Landesbank Sachsen ankommen.
Für den Kapitalmarkt wird das "A1" ein unverbindlicher Merkposten bleiben, während das desaströse "BBB +" von Standard & Poor's (S & P) wirklich zählt. Mit diesem vorläufigen Schattenrating hatte S & P die langfristig unbesicherten Verbindlichkeiten nach dem Wegfall der staatlichen Haftungsgarantien bewertet - womit die Sachsen LB die einzige Landesbank ist, die nicht zumindest ein "A -" erhielt. Das wiederum hat dramatische Folgen. Denn mit dem Makel "BBB +" am Revers dürfte das Institut künftig massive Schwierigkeiten bei der Refinanzierung haben. Damit kann das künftige Geschäft nur mit angezogener Handbremse angegangen werden, was böse Auswirkungen auf die Ertragslage hat - womit das erhoffte "Single-A" völlig aus dem Blickfeld gerät.
Wenn nicht ein radikaler Neuanfang glückt, schrumpft sich die Sachsen LB zu Tode. Angesichts dieser düsteren Perspektive gibt es einige im Freistaat, die sich schnellstens von der einzigen ostdeutschen Landesbank trennen wollen -"solange sie noch was Wert ist". Erste Gespräche wurden bereits mit der BayernLB und der Landesbank Baden-Württemberg geführt, verlautet aus Kreisen der Beteiligten. In diesem Zusammenhang wird auch gefragt, wofür eigentlich die Sachsen eine eigene Landesbank benötigen, wenn doch beispielsweise Brandenburg problemlos ohne ein eigenes Zentralinstitut auskommt und die dortigen Sparkassen dennoch zu den rentabelsten im Lande gehören? Diese Sinnfrage ist gut, aber nicht neu.
Bislang gehörte die Sachsen LB zum Kernbestand einer eigenständigen Wirtschaftspolitik der Landesregierung, die "Leuchttürme" wie die Chipindustrie und Autoproduktion ins Land geholt hatte. Hält die Landesregierung an diesem Standpunkt fest, oder verabschiedet sich der Freistaat nunmehr von "seinem" Institut? Eine Antwort gibt es nicht. Der indirekte Großaktionär verweigert seit Wochen auch nur das leiseste Commitment. Fest steht nur, dass es erste Gespräche gibt zwischen dem Land und dem Beteiligungsverband sächsischer Sparkassen - also all jenen überwiegend kleinen Häusern, die (noch) nicht in der Sachsen-Finanzgruppe sind, dem Zusammenschluss von Landesbank und acht der 18 freistaatlichen Sparkassen.
Einigen sich die Gesprächspartner auf eine Abtretung der Sparkassen-Anteile an das Land, wäre dieses nicht nur indirekt über seine Viertelbeteiligung an der Finanzgruppe, sondern auch direkt mit 18 % an der Sachsen LB beteiligt. Den Rest halten die Kommunen der Sparkassen aus der Sachsen-Gruppe, also etwa Dresden oder Leipzig. Undenkbar ist lediglich ein simples Weiterlavieren der Landesbank. Denn auch die nächste Restrukturierungswelle würde das grundlegende Manko nicht beseitigen, das aus Sicht von S & P darin besteht, dass das Institut in einer Region agiert, in dem weder große Unternehmen beheimatet sind, noch ein wirtschaftlicher Aufschwung in Sicht ist. Beides drückt jedoch die Erträge. Dagegen kommt die Bank seit Jahren nur an, indem sie - durchaus erfolgreich - im Ausland tätig ist. Setzt sich diese Tendenz fort, droht freilich ein Brain Drain weg vom Stammsitz Leipzig zur Tochter Dublin.
Statt Verlagerung oder Verkauf wäre freilich auch eine Stärkung der freistaatlichen Kreditwirtschaft denkbar. Theoretisch. Praktisch stößt eine wie auch immer geartete Verkoppelung einer Landesbank mit den in Ostdeutschland stets passivlastigen Sparkassen auf tiefe Skepsis. Schließlich gibt es böse Erfahrungen mit der vom damaligen Finanzminister (und heutigen Ministerpräsidenten) Georg Milbradt geplanten Sachsen-Bank, der die dezentralen Sparkassen in das strikt zentralistische Konglomerat zwingen wollte - eine Idee, die erst ein Volksentscheid stoppen konnte. Die Frage ist also, ob die verbreitete Aversion der Sparkassen gegen eine engere Verbindung mit der Landesbank geknackt werden kann - zum beiderseitigen Vorteil.
Dazu müssten aus den bis dato lockeren Absprachen in der Sachsen-Finanzgruppe verbindliche Absprachen werden, die beispielsweise auch die Sachsen LB verpflichten, die kommende Kreditfabrik der Sparkassen zu nutzen. Mit bitteren Auswirkungen auf eigene Arbeitsplätze. Doch nur wenn die kleinen regionalen Häuser deutlich an Gewicht gewinnen zulasten der großen Landesbank, hat die Sachsen LB überhaupt eine Chance auf eine fortdauernde eigenständige Existenz. Vor allem muss sich die Landesregierung äußern, verliert ihr "Asset" doch bereits an Wert. Schon kursiert die Zahl von 50 Mill. Euro, die das Land für den knappen Fünftel-Anteil des Beteiligungsverbands zahlen wolle - was die gesamte Sachsen LB (Eigenkapital: 1,15 Mrd. Euro) auf lausige 250 Mill. Euro taxiert. Geiz ist geil, dürften sich BayernLB oder LBBW über das Schnäppchen freuen, womit der einfachste Weg des Verkaufs auch zur teuersten Lösung wird . Um den Wertverfall zu stoppen, muss rasch eine Lösung her. Bei der Verwaltungsratssitzung am Mittwoch sollte sich das Land zu seiner Landesbank bekennen - solange sie noch was Wert ist. (Ulli Gericke)