Freie Presse Chemnitz, 17.01.2005
Keine Zeit für Zauderer: Politik kann nur mit eigenem Vorbild die Bürger mitnehmen
Leitartikel von Hubert Kemper
Politiker sind auch nur Menschen. Steigt ihr Frust ins Unerträgliche, hilft es, die Realität ein wenig auszublenden. Dann sind es die Medien, die für die miese Stimmung im Volk verantwortlich sind. Und damit auch für das noch beklagenswertere Niveau derer, die uns demnächst regieren und kontrollieren werden.
Zerrbilder entstehen, wenn Ursache und Wirkung verwechselt werden. Die Entlarvung von Volksvertretern, die ohne Gegenleistung auf der Gehaltsliste früherer Arbeitgeber stehen, ist keine Presse Erfindung, die der Rufschädigung des Parlamentarier-Standes dienen soll. Die Veröffentlichung skandalös hoher Pensionsansprüche nach nur wenigen Jahren auf dem Abgeordneten- oder Regierungsschemel dient nicht der Befriedigung von Neidkomplexen. Sie ist das Ergebnis eines Beharrungsvermögens der politischen Klasse, die auf die Vergesslichkeit der Menschen setzt und dann erschrocken reagiert, wenn drei Monate später der nächste Fall von Selbstbedienung Schlagzeilen auslöst.
In Zeiten, die eher verunsichern statt stabilisieren, suchen die Menschen nach Vorbildern. Selbstverantwortung für die eigene Altersabsicherung bei entsprechender Aufstockung der Diäten zu übernehmen, wäre ein Beispiel, das positive Wirkung auslösen könnte. Übernahme von Verantwortung, die sich wie in der Wirtschaft an leistungsbezogener Bezahlung mit Zu- oder Abschlägen orientieren würde, ein anderes. Wer von den Bürgern Opfer verlangt, ohne selbst den Gürtel enger zu schnallen, wird die Menschen bei den überfälligen Reformen nicht mitnehmen können.
„Die Menschen suchen wieder den Glauben an die Politik"
Im Ergebnis der Landtagswahl hat sich die Zerrissenheit vieler Sachsen widergespiegelt. Verdruss und Protest fanden im Aufschwung Radikaler von Links und Rechts ihren Widerhall. Die bürgerliche Mitte hat sich noch nicht gefangen. Die NPD lockt sie von einer Falle in die nächste. Beim Gerangel um Posten und Gehälter stapften die neuen Partner von CDU und SPD zielsicher in weitere Fettnäpfe. Ministerpräsident Georg Milbradt müht sich redlich, mit wichtigen Themen, wie Familie und Demografie, bundespolitisches Profil zurückzugewinnen . Doch im eigenen Land und in seiner Partei muss er noch beweisen, dass er als Krisenmanager tauglich ist. Der Umgang mit der wieder aufgeflammten Affäre um die SachsenLB kann in den nächsten Tagen darüber Aufschlüsse geben. Die Menschen suchen wieder den Glauben an die Politik und keine Zauderer.