Agenturen dpa/sn, 15:07 Uhr, 23.01.2005
«Wir müssen sie immer wieder entlarven» - Sachsen und die NPD
Von Petra Strutz, dpa
Dresden (dpa/sn) - Von «Wahnsinnsaussagen dieser NPD-Leute» spricht Landtags-Alterspräsident Cornelius Weiss (SPD) auch noch am Sonntag. Und die Besorgnis über die «Springerstiefel in Anzug und Krawatte» im sächsischen Parlament wächst bei allen demokratischen Parteien. Aber auch ein Stück Ratlosigkeit bleibt zurück. Die rechtsextreme NPD, die mit 12 Abgeordneten in Sachsens Landtag sitzt, sieht sich mehr und mehr in der Offensive. Auf allen Ebenen versucht sie, ihre Anhänger für einen Aufmarsch am Jahrestag der Zerstörung Dresdens am 13. Februar zu mobilisieren.
Nicht nur für Weiss und die Vertreter der demokratischen Partein im sächsischen Parlament haben die Nationaldemokraten am vergangenen Freitag endgültig die Maske fallen lassen. Nazi-Sprache, Goebbels- Diktion, Beleidigung der Millionen Opfer der NS-Diktatur und Verletzung der Würde der Überlebenden des Holocaustes: Dresden ist seit vier Monaten nationalsozialistisches Experimentierfeld der NPD auf parlamentarischer Ebene.
Schon seit der Landtagswahl im September sucht Sachsens Politik nach Wegen des Umgangs mit der NPD. Doch es hat lange gedauert, bis die demokratischen Fraktionen an einen Tisch fanden, um gegen die «Springerstiefel in Anzug und Krawatte» - wie sie Grünen- Fraktionschefin Antje Hermau nennt - vorzugehen. Groß waren die Vorbehalte, sich dabei mit der linken PDS als größter Oppositionspartei in eine Reihe stellen zu müssen.
Vor allem die CDU musste sich vorwerfen lassen, dem Thema NPD nicht die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt zu haben. Noch kürzlich sagte deren Fraktionschef Fritz Hähle, dass Stimmen für NPD- Kandidaten zwar «etwas unschön, aber keine Katastrophe» seien. Und das, obwohl dem schon zwei bedeutenden Abstimmungen im Landtag vorausgegangen waren, bei denen die NPD heimliche Unterstützung aus anderen Fraktionen erhalten hatte - die Wahl des Ministerpräsidenten und der Ausländerbeauftragten. Weiss nennt diese unbekannten Abgeordneten «feige Feinde der Demokratie».
Der Landtags-Alterspräsident und Chef der SPD-Fraktion hat jetzt noch einmal die «Riesenaufgabe» umrissen, vor der Sachsen steht. «Wir müssen sie (die NPD) immer wieder entlarven. Und das müssen wir vor allem öffentlichkeitswirksam tun - juristisch korrekt und knallhart in der Sache», sagt er. Und das muss - so Weiss - angesichts der NPD- Bestrebungen, auch andernorts über Wahlen in Parlamenten Fuß zu fassen, beispielhaft geschehen. «Sonst droht nicht nur Sachsen und nicht nur Deutschland, sonst droht der Welt erneut Unheil.»
Zur dieser großen Aufgabe gehöre aber auch die Arbeit außerhalb des Parlamentes. Auf den NPD-Bänken säßen ohnehin die unbelehrbaren Frontmänner. «Wir müssen ran an die Wähler, an die Jugend, in die Schulen», ist mittlerweile der Tenor.
Die Eklat-Landtagssitzung vom vergangenen Freitag offenbarte
nicht nur Erschreckendes am Saalmikrofon. Die Ränge der Besuchertribüne waren mit NPD-Anhängen gefüllt, die sich aus der Deckung wagten und aus ihrer Zustimmung zu den Nazi-Reden keinen Hehl machten. Mit einem Verbot der Partei - wie nun wieder debattiert - ist es nicht getan, sind sich die Demokraten einig. dpa st yysn el
231507 Jan 05