Süddeutsche Zeitung, Seite 2, 28.02.2005
Leasing, Liebe, Ränkespiele
Hinter der Krise steckt außer Missmanagement auch der Konflikt zwischen Milbradt und Biedenkopf
Vor knapp fünf Jahren, als in Sachsens Politik die Welt noch in ruhiger Ordnung war, kamen die Spitzen der landeseigenen Bank Sachsen LB auf die Idee, ein neues Geschäftsfeld zu eröffnen. Die Bank sollte sich, so wollte es Vorstandschef Michael Weiss, im zunehmend florierenden Leasing-Geschäft engagieren. Helfen sollten dabei die guten Kontakte des Tutzinger Geschäftsmanns Ludwig Hausbacher. Die Kooperation zwischen dessen Unternehmen Industrie- und Immobilienleasing IIL und der Landesbank in der Mitteldeutschen Leasing (MDL) fand die wohlwollende Unterstützung der Aufsicht der Bank -- vorweg vom damaligen Finanzminister Georg Milbradt. Es war eines seiner letzten Projekte, bevor er Anfang 2001 von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf im Streit über dessen Nachfolge entlassen wurde. Gut ein Jahr später übernahm Milbradt nach einem erbittert geführten Machtkampf die Führung des Landes.
An der MDL sollten die Beteiligten nicht lange ihre Freude haben. Die Partner entzweiten sich nach zwei Jahren, es entbrannte ein millionenschwerer Streit um den Wert des Unternehmens. Hausbacher fordert deutlich mehr für seinen Unternehmensanteil, als die Sachsen LB für angemessen hielt. Der Rechtsstreit zwischen der Landesbank und Hausbacher hat die Sachsen LB inzwischen in ihre schwerste Krise gestürzt. Am Freitag gaben Vorstands-Chef Michael Weiss und das Vorstandsmitglied Rainer Fuchs ihre Ämter auf. Kurz zuvor waren bei einer Hausdurchsuchung bei der Sachsen LB dubiose Unterlagen aus diesem Streit entdeckt worden.
Nicht nur für Regierungschef Milbradt dürfte die Sache ein bizarres politisches Déjà-vu-Erlebnis sein. Vor allem im Hintergrund hat sich in den letzten Monaten sein einstiger Widersacher Kurt Biedenkopf kräftig engagiert. Der durch den Nachfolgestreit persönlich tief verletzte Alt-Premier hat sich offiziell aus der Politik zurückgezogen. Biedenkopf führt in Dresden eine Anwaltskanzlei. Der einstige und der aktuelle sächsische Regierungschef gehen einander, so gut es nur geht, aus dem Weg. Im Streit um den Wert der MDL hat Biedenkopf freilich gleich mehrmals beim Nachfolger vorgesprochen und sich für den Tutzinger Unternehmer Hausbacher eingesetzt. Hausbacher soll Biedenkopf um Hilfe gebeten haben. Ganz offiziell fungiert Biedenkopfs Schwiegersohn Andreas Waldow als Pressesprecher von Hausbachers Unternehmen. Seit Monaten argwöhnen Landesbanker, aber auch manche in Milbradts Umfeld, dass es nicht nur um Geld, sondern auch um alte Rechnungen geht. Als unstrittig auf beiden Seiten gilt, dass die Spitze der Landesbank den Kontrahenten Hausbacher und sein Netzwerk unterschätzte.
Die Eskalation hatte begonnen, als die junge Bankerin Andrea Braun vor gut zwei Jahren aus der Landesbank zur MDL wechselte. Braun -- von Regierungschef Milbradt als großes Talent mit erstklassigen Examen gepriesen -- hatte eine steile Karriere hinter sich und war Personalchefin der Sachsen LB, als sie und Vorstandschef Weiss sich persönlich näher kamen. Auch um Gerede über die Partnerschaft den Boden zu entziehen, wechselte sie zur MDL, wo Hausbacher sie zunächst gern sah.
Als es jedoch zu radikal unterschiedlichen Einschätzungen über den Wert des Unternehmens kam, brach Streit aus. Im Februar vor einem Jahr wurden dann erstmals Affären-Vorwürfe gegen die Sachsen LB bekannt. Berichtet wurde über die Beziehung von Braun und Weiss, über den Verdacht der Bespitzelung ehemaliger Mitarbeiter durch die Sachsen LB -- vor allem aber über den sehr noblen Dienstwagen von Weiss, der über die MDL geleast worden war. Es sollten nicht die einzigen Interna bleiben, die an die Öffentlichkeit kamen. Das Kredithaus erwies sich, was vertrauliche Informationen anging, als "löchrig wie ein Schweizer Käse", so Politiker in Dresden. Mit einem selbstherrlichen und rücksichtslosen Führungsstil habe vor allem Weiss sich viele Feinde gemacht, sagen Kritiker. "Unter Weiss sind über hundert leitende Angestellte unter sozial und menschlich fragwürdigen Umständen entlassen worden", wirft der SPD-Landtagsabgeordnete
Karl Nolle dem Bank-Chef vor. Der eigenwillige Stil des Top-Bankers stieß auch in der Staatskanzlei auf Kopfschütteln. So distanzierte sich Milbradts Regierungssprecher eindeutig, als Weiss einem unliebsamen Redakteur der Welt die Teilnahme an einer Pressekonferenz verbot.
Aber Milbradt war von den Qualitäten des Bankers Weiss überzeugt. So hielt er an ihm auch noch fest, als im Januar in einem Prozess um die MDL in Dresden die Richter den Verdacht äußerten, dass von Seiten der Sachsen LB eine Urkunde gefälscht worden sein könnte. Am Freitag wurde dieser Verdacht erhärtet. Bei der Hausdurchsuchung fand man ein Schriftstück mit handschriftlichen Notizen, die wie ein Beleg für die Fälschung gelesen werden konnten. Das ließ sich, so die Erkenntnis in der Staatskanzlei, beim besten Willen nicht mehr erklären.
Zwar betonte Milbradt am Wochenende noch einmal, dass er in dem Abgang von Weiss, den er schätze, keine Schuldanerkenntnis sehe. "Aber eine Bank braucht als Kapital nicht nur Euro, sondern auch Vertrauen", sagte er der SZ. Noch in dieser Woche soll auf einer Versammlung der Anteilseigner über die Zukunft der Bank beraten werden.
Von Jens Schneider