DNN/LVZ, 17.03.2005
Dritte CDU-Regionalkonferenz zwischen Kuriositätenkabinett und verhaltener Kritik an Milbradt
Burkhardtsdorf. Einer hielt sich ganz dezent zurück. Vorne auf dem Podium ging es gerade um die CDU-Misere nach der verlorenen Landtagswahl, in der achten Reihe halb rechts außen hatte sich Martin Gillo (CDU) platziert - und sagte nichts. Leicht versunken saß der Ex-Wirtschaftsminister auf dem Stuhl, horchte, klatschte selten. Vor Wochen noch hatte er mit kritischen Spitzen Richtung Partei- und Regierungschef Georg Milbradt (CDU) geglänzt, jetzt war öffentlich nichts zu hören.
Das prägte die dritte und letzte CDU-Regionalkonferenz am Dienstagabend. Rund 300 Teilnehmer waren in die garstige Zwönitztalhalle in Burkhardtsdorf bei Chemnitz gekommen, eigentlich eine Hochburg der Milbradt-Gegner. Doch die meisten Redner hielten sich bedeckt - kaum mal Jubel, aber auch keine Rücktrittsforderung. Lediglich der CDU-Bundestagsabgeordnete Peter Jahr (Mittweida) wurde seinem Ruf gerecht und legt Milbradt nahe, den Parteivorsitz abzugeben. Sein Tenor: Das Motto "Klappe halten und mitmachen, der Alte hat schon einen Plan" funktioniere nur unter einer Voraussetzung: "Wenn der Alte auch einen Plan hat". Milbradt aber habe die CDU nach dem Wahldebakel "im Regen stehen gelassen", das gehe nicht.
Ansonsten kam die Regionalkonferenz zuweilen einem Kuriositätenkabinett bedenklich nahe. Rainer Weisbach, CDU-Mittelständler aus Chemnitz, zum Beispiel forderte ganz unverhohlen mehr Hierarchie in der Partei. Die CDU-Spitze sei gewählt, meinte er mit Vehemenz, "nun erwarten wir, dass sie uns führt". Und an die Adresse von CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer legte er nach: Die Arbeit der CDU-Spitze "muss uns durchdringen, das kann ruhig ein wenig DDR-mäßig sein".
Neu war zudem der Zungenschlag, den der 29-jährige CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz in Burkhardtsdorf präsentierte. Erst machte sich der alerte Volljurist aus Chemnitz für den "Regionalproporz" stark, das heißt gegen die Vormachtstellung von Ost- und Mittelsachsen in CDU-Spitzenpositionen. Dann bemühte er das Ost-West-Thema als politische Waffe pur. "Muss es sein, dass wir bei der Besetzung von Spitzenämtern in den alten Ländern auf Personalsuche gehen?", rief er in den Saal. Schließlich schade es beim Regieren wenig, "wenn wir ein bisschen mehr sächsisch sprechen".
Das zielte klar auf Milbradt. Denn der Regierungschef stammt aus Westfalen, und unter der Hand lautete die Botschaft von Wanderwitz: In Zukunft müsse ein Sachse die Geschäfte führen, einer wie der Erzgebirgler und Kultusminister Steffen Flath. Und ganz nebenbei wäre aus Chemnitzer Sicht damit auch ein anderer aus dem Rennen: Innenminister Thomas de Maizière, Volljurist wie Wanderwitz, aber eben aus dem Westen.
Milbradt selbst schlug andere Töne an. Erst kritisierte er nicht nur die rechtsextreme NPD, sondern auch die PDS. Dann blickte er nach vorn. Auf dem CDU-Parteitag am 23. April müsse sich die Sachsen-Union entscheiden - für oder gegen ihn. Das beste Signal in diese Richtung sei ein "deutlicher Vertrauensvorschuss" für "General" Kretschmer, der auf dem Konvent bestätigt werden muss. Die Botschaft von Milbradt war indirekt verpackt, in der Sache aber klar: Wer eine starke Führung wolle, müsse Kretschmer wählen - und damit letztlich auch ihn selbst.
Jürgen Kochinke