Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 18.03.2005

Enge Beziehungen

 
Leipzig/Dresden. Das Ziel stand klar im Protokoll: "Wertberichtigungen im Immobilienportfolio der Bank zu vermeiden beziehungsweise zu vermindern." Doch die Art und Weise, wie der ehemalige Landesbank-Chef Michael Weiss und sein ebenfalls Ende Februar geschasster Vorstandskollege Rainer Fuchs über die Tochtergesellschaft Real Immobilien GmbH notleidende Engagements aus den Bilanzen der Sachsen LB zauberten, hat jetzt ein Nachspiel.

Bei der Dresdner Staatsanwaltschaft liegt nach Informationen dieser Zeitung eine Strafanzeige vor, die den Managern Untreue zu Lasten ihres langjährigen Arbeitgebers vorwirft.

Im Kern geht es um zwei Objekte, die die Real im März 2003 von dem Hamburger Kaufmann Lutz Ristow übernahm - für stattliche 72,2 Millionen Euro, finanziert zu 100 Prozent mit Krediten der Sachsen LB. Die Begleitumstände sind mehr als pikant: Die Kreditabteilung der Bank sah den Verkehrswert der Gebäude - dem Leipziger Reclam-Carree und einem Bürohaus in der Dresdner Neustadt - zusammen bei gerade einmal knapp 30 Millionen Euro. "Ein akzeptables Verhältnis zwischen Kaufpreis, Verkehrswert und Finanzierungshöhe ist nicht gegeben", schrieben die Fachleute und bewerteten den Kreditantrag als "nicht vertretbar". Lediglich "geschäftspolitische Erwägungen des Vorstandes im Gesamtbankinteresse" könnten das Engagement "als notwendig erscheinen lassen".

Und "geschäftspolitische Erwägungen" gab es offenbar zuhauf: Am 17. Dezember 2002 gab der Vorstand der Landesbank per Eilentscheidung grünes Licht, der Kreditausschuss der Sachsen LB konnte das einen Monat später nur zur Kenntnis nehmen. Dabei regte sich in dem Gremium durchaus Widerstand. Dies geht aus Unterlagen hervor, die dieser Zeitung vorliegen. Rainer Fuchs soll dem aber - laut Strafanzeige "bewusst wahrheitswidrig" - mit dem Hinweis begegnet sein, die Risiken der Kredite befänden sich bereits in den Landesbank-Büchern, die Entscheidung sei deshalb unumkehrbar.

Den Hauptgrund sehen Insider allerdings eher darin, dass Lutz Ristow, mit dessen Tegernsee Immobilien- und Beteiligungs-AG (TAG) die Sachsen LB die Real gemeinsam gründete, hausintern als "langjähriger inniger Freund" des Ex-Vorstandschefs Weiss bekannt war. Vor diesem Hintergrund werden auch einige weitere Merkwürdigkeiten des Kreditengagements plausibler: Der Kaufpreis für das Leipziger Reclam-Carree, rund 56,1 Millionen Euro, liegt der Strafanzeige zufolge nicht nur beim 53-fachen der Jahresnetto-Mieteinnahmen - marktüblich wäre das acht- bis zwölffache -, sondern auch noch knapp zehn Millionen Euro über den ursprünglichen Baukosten. Die Differenz sollen Darlehen sein, die Ristow nach eigenen Angaben bereits vorher in das Objekt gesteckt hatte. Und obwohl die Kreditabteilung in ihrer Vorlage ausdrücklich bemängelt, dass dafür Belege fehlen, zahlte die Sachsen LB das Geld über den Kaufpreis zurück. Ähnlich funktionierte das Geschäft auch in Dresden: Hier waren es knapp zwei Millionen Euro, die ohne Belege erstattet wurden.

Dass dazu die Mietgarantien, die Ristow für die Objekte angeboten hatte, ausweislich der notariellen - und ausdrücklich als vertraulich gekennzeichneten - Kaufverträge "nicht besichert" sind, ist nur eine weitere Facette des vielschichtigen Deals. Ebenso wie die Tatsache, dass bereits vor der offiziellen Gründung der Real über die Konditionen eines Geschäftsbesorgungsvertrages gesprochen wurde: Laut eines Entwurfes für ein "Deal-Memo" sollte Ristows TAG oder eine ihrer Töchter die Real-Tagesarbeit übernehmen und dafür jährlich ein halbes Prozent der verwalteten Werte als Vergütung bekommen. Bei einer Real-Bilanzsumme von rund 200 Millionen wäre das eine Million Euro pro Jahr. Doch zu dem lukrativen Neben-Geschäft kam es nicht: Der zuständige Sachsen-LB-Sachbearbeiter legte in einem Vermerk sein entschiedenes Veto ein - und im Gegensatz zu den Kreditanträgen setzte sich der Vorstand nicht über die Bedenken hinweg.

Warum das Gremium aber überhaupt ein Geschäft einging, bei dem sich die Landesbank - so heißt es in der Strafanzeige - "ohne Not" Objekte ins Portfolio holt, bei denen Wert und Risiko in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis stehen, bleibt im Nebel. Es kursiert allerdings seit Ende Februar ein offenbar weit gestreutes Schriftstück, dessen anonymer Verfasser intime Detailkenntnisse zu haben scheint. Jedenfalls kündigt er an, vor Gericht gegebenenfalls schriftlich beweisen zu können, dass bei "erfolgreicher Neu- oder Umfinanzierung notleidender Objekte der Firma TAG" - und so könnte man die beiden speziellen Deals der Landesbank mit Ristow auch umschreiben - ein "sechsstelliger Betrag über ausländische Firmen an einen noch vom ehemaligen Sachsen-LB-Vorstand Weiss zu benennenden Dritten" zu zahlen sei.

Auch wenn die Belege bislang fehlen - der Verdacht, dass Schmiergelder geflossen sein könnten, steht damit im Raum. Bittere Pointe: Nach Informationen des SPD-Wirtschaftspolitikers Karl Nolle sollen die beiden Untergesellschaften, in denen die Real das Reclam-Carree und das Dresdner Bürohaus verwaltet, zurzeit unmittelbar von der Insolvenz bedroht sein.
Lars Radau

Karl Nolle im Webseitentest
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