Börsen-Zeitung, 06.04.2005
Sachsen LB mit "W"-Rating
Leitartikel von Ulli Gericke
Spätestens seit Mitte vergangenen Jahres ist offensichtlich, dass sich die Landesbank Sachsen in einer Sackgasse festgefahren hat - ohne dass bis dato ein Weg aus der Blockade gefunden wurde. Im Sommer 2004 sprach die Ratingagentur Standard & Poor's (S & P) der einzigen ostdeutschen Landesbank nur das ungenügende Schattenrating "BBB+" für die Zeit nach dem Wegfall von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung zu. Seit Herbst wird diese bedrohliche Lage auch bei den Trägern der Sachsen LB intensiv diskutiert - mit dem Erfolg, dass auf der jüngsten Anteilseignerversammlung am Montag der Vorstand beauftragt wurde, zusammen mit den Beratern von Droege "ein tragfähiges Geschäftsmodell" vorzulegen.
Was, bitte, haben die Leipziger in den vergangenen Monaten gemacht? Und warum fällt den Eignern erst wenige Monate vor dem Wegfall der Staatsgarantien auf, dass damit die künftigen Gewinne drastisch in Frage gestellt werden? Denn nach einer Schätzung des Managements droht der Bank wegen des mangelhaften Ratings peu à peu die Hälfte der Refinanzierungsmittel zu entfallen. Das damit wegbrechende Geschäft könnte im schlimmsten Fall ein Loch von 30 Mill. in die Gewinn- und Verlustrechnung reißen - eine stolze Summe angesichts des letztjährigen Überschusses von gerade einmal 45 Mill. Euro. Was vor wenigen Wochen den Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Dietrich Hoppenstedt, veranlasste, dem Institut die Existenz abzusprechen: "Die Sachsen LB kann in dieser Form nicht weiter bestehen." Ein Satz, der in Leipzig pures Entsetzen hervorrief.
Nun muss also - reichlich spät - der amtierende Notvorstand nach einem neuen, tragfähigen Geschäftsmodell suchen. Hintergrund für den erzwungenen Kurswechsel ist die Weigerung von S & P, die trickreiche, wenngleich in der Wirtschaft durchaus übliche Stärkung des Eigenkapitals über Darlehensaufnahme der Träger zu akzeptieren. Um die monierte schwache Eigenmittelausstattung zu verbessern, wollten die Sparkassen der Sachsen-Finanzgruppe Anleihen begeben oder Kredite aufnehmen und die eingeworbenen Gelder der Landesbank als (verzinsliches) Kernkapital zur Verfügung stellen. In der Finanzgruppe sind die Landesbank und acht freistaatliche Sparkassen miteinander verknüpft. Dumm nur, dass S & P diese schon weitgehend ausgehandelte Lösung nicht mittragen will und auf "echtes" Kapital für die Sachsen LB besteht. Die derzeitige Kernkapitalquote ist mit 5,6 % nicht ausreichend. Hinzu kommt, dass das auch andernorts zu findende Unbehagen lokaler Sparkassen gegen globale Finanzmarktgeschäfte auch in Sachsen gehegt und gepflegt wird.
In der freistaatlichen Provinz werden die (durchaus lukrativen) Derivate-Deals und globalen Swap-Transaktionen der Dubliner Sachsen-LB-Tochter mit tiefem Misstrauen verfolgt - und wegen deren ausgeprägter Intransparenz gefürchtet. Kaum sind Vorstandschef Michael Weiss und Kapitalmarktverantwortlicher Rainer Fuchs nicht mehr an Bord - beide stolperten über ein angeblich manipuliertes Schreiben - kocht die bisher unterdrückte Ablehnung hoch, und es wird größere Risikotransparenz gefordert. Im Kern wird bei der jetzt erneut verordneten Suche nach einem gewinnträchtigen Geschäftsmodell allerdings die grundsätzliche Berechtigung der Sachsen LB behandelt. Oder anders ausgedrückt: Wie weit reicht ein vornehmlich politisches Interesse, um die Tragfähigkeit einer eigenständigen Landesbank zu garantieren?
Zwar wirbt Ministerpräsident Georg Milbradt unverdrossen für sein vor gut einem Jahrzehnt gegründetes Haus als Garant einer aufstrebenden sächsischen Wirtschaft. Diese ist jedoch trotz einiger "Leuchttürme" viel zu klein, um ein nennenswertes heimisches Bankgeschäft zu sichern. Das Ausweichen der Landesbanker in internationale Gefilde spiegelt folglich nur die Schwäche des angestammten ertragsschwachen Heimatmarkts wider.
Dagegen wurde das Geschäft mit den und für die regionalen Sparkassen vernachlässigt. Und das, obwohl genau die engere Verknüpfung zwischen Retail- und Wholesale-Aktivitäten Ziel und Zweck der Sachsen-Finanzgruppe war und ist. Schon seit Jahren gefallen sich die Beteiligten allerdings auf beiden Seiten darin, mehr das Trennende als das Einende zu betonen. Nicht umsonst hieß es schon vor Monaten in einem Positionspapier, "dass die Sparkassen in Sachsen die Sachsen LB als Landesbank im eigentlichen Sinn nicht benötigen.
Der von den Ratingagenturen geforderte Verbund wird gegenwärtig nicht gelebt." Das soll nunmehr anders werden, geben die Träger - endlich - vor. Vor dem erforderlichen eigenen Beitrag für den benötigten Kapitalzuschuss schrecken sie jedoch zurück - auch wenn dies die Glaubwürdigkeit aller Beteiligten, vor allem aber der Landesbank, bis zur Schmerzgrenze belastet. Gäbe es eine gefühlte Gewährträgerhaftung, die Sachsen LB bekäme von ihren Eigentümern ein "W"-Rating: weg damit. Doch diese Stimmung in fernen Landkreisen darf nicht für die Regierung gelten, die doch so gerne die Wichtigkeit "ihrer" Landesbank betont.
Zumindest Dresden müsste zu seinem Engagement stehen - finanziell und rasch, soll weiterer Schaden vermieden werden, der allein durch anhaltenden Stillstand entsteht. Denn nur eine funktionierende Bank kann in Zukunft auch verkauft werden.