Sächsische Zeitung, 01.11.2000
Rathaus gliedert Kitas und Sportstätten aus
Interview mit Verwaltungsbürgermeister Wolf-Dieter Müller (CDU)
DRESDEN. Bürgermeister Müller (CDU) zu Umstrukturierung und Bürgerfreundlichkeit
Seit dem Ausscheiden von Jörg Stüdemann (parteilos) ist Verwaltungsbürgermeister Wolf-Dieter Müller (CDU) für den Sport zuständig. Gleichzeitig zeichnet er für Personalabbau und Umstrukturierung im Rathaus verantwortlich.
SZ: Herr Müller, werden Sie als Sport-Bürgermeister einen neuen Kurs einschlagen?
Wolf-Dieter Müller: Nein. Ich habe mir in den vergangenen Wochen Dresdens Sportstätten angeschaut und konnte dort mit eigenen Augen sehen, wovon Jörg Stüdemann immer sprach: wie runtergewirtschaftet manche Anlagen sind. Insofern bin ich nun genauso für das Thema sensibilisiert.
SZ: Jetzt beginnen ja gerade die Haushalts-Diskussionen fürs neue Jahr. Wie sieht der Sport-Etat aus?
Wolf-Dieter Müller: Das Sportamt wird im Januar in einen städtischen Eigenbetrieb umgewandelt und soll 2001 rund 33 Millionen Mark bekommen. Dieses Budget muss für alle Ausgaben, wie Personal und Investitionen, reichen. Es entspricht ungefähr dem diesjährigen finanziellen Niveau. Natürlich wäre viel mehr Geld notwenig. Vor allem für die Dresdner Schwimm-Vereine sieht es nach Schließung der maroden Halle auf der Steinstraße katastrophal aus.
SZ: Der Sportbeirat hat jetzt einem PDS-Vorschlag zugestimmt, an die Schwimmhalle Freiberger Straße ein Becken anzubauen. Was halten Sie davon?
Wolf-Dieter Müller: Das ist die günstigste Lösung, weil der Stadt das Grundstück gehört und weil Abriss und Neubau der Schwimmhalle Steinstraße viel teurer wären. Doch selbst für einen Anbau fehlen mir die nötigen fünf Millionen Mark. Ich könnte sie von den Schulen abzweigen, aber das will ich nicht. Das Geld vom Straßen-Etat zu nehmen, würde sicher auch nicht auf ungeteilte Zustimmung stoßen.
SZ: Finanzbürgermeister Stihl (CDU) sagt, das Geld soll der neue Eigenbetrieb Sport aufbringen.
Wolf-Dieter Müller: Der Eigenbetrieb ist auch städtisch und taucht damit im Haushalt auf. Nur eben an anderer Stelle. Und wenn die Stadt ihre Schuldengrenze erreicht hat, so gilt das genauso für den Eigenbetrieb.
SZ: Wo liegt dann der Vorteil des Eigenbetriebs Sport?
Wolf-Dieter Müller: Er kann flexibler und kostengünstiger arbeiten als ein Amt. Der Eigenbetrieb ist zwar nach wie vor dem OB unterstellt, hat aber größere Freiheiten im Umgang mit Personal und Geld. So können zum Beispiel eingesparte Personalkosten für Investitionen ausgegeben werden. Und es ist erstmals möglich, eine Kosten-Leistungs-Rechnung zu erstellen.
SZ: Ist dann aber nicht zu befürchten, dass unrentable Sporteinrichtungen geschlossen oder Gebühren erhöht werden?
Wolf-Dieter Müller: Es gibt einen Leistungskatalog, welche Sportanlagen betrieben werden müssen. Die Kosten-Leistungs-Rechnung lässt allerdings Schlüsse zu, warum eine Einrichtung so teuer ist. Über die Gebühren entscheidet nach wie vor der Stadtrat.
SZ: Wer wird denn Chef des Eigenbetriebs Sport?
Wolf-Dieter Müller: Wir schreiben die Stelle aus. Sportamtsleiter Harald Claußnitzer übernimmt erstmal die kommissarische Leitung für die 260 Mitarbeiter.
SZ: Für die Eigenbetriebe Stadtentwässerung und Stadtreinigung wird gerade die Privatisierung geprüft. Ist der Eigenbetrieb Sport also auch nur Vorstufe, um Schwimm- und Sporthallen später in Privathand zu geben?
Wolf-Dieter Müller: Ein Eigenbetrieb ist eine vorzügliche Vorbereitung auf die Privatisierung. Allerdings halte ich eine Privatisierung des Sportamtes für unrealistisch, weil es eine Reihe hoheitlicher Aufgaben erfüllt, die man nicht rausgeben kann.
SZ: Auch das Kita-Amt ist ab Januar Eigenbetrieb. Wie wird er personell und finanziell ausgestattet?
Wolf-Dieter Müller: Zum neuen Kita-Eigenbetrieb gehören 1 644 Mitarbeiter - darunter 91 in der Verwaltung. Der Betrieb erhält von der Stadt ein Budget von 113 Millionen Mark. Davon müssen die Kitas betrieben, aber auch hoheitliche Aufgaben wie Teile der Jugendhilfeplanung erfüllt werden. Zur größeren Eigenverantwortlichkeit zählt zum Beispiel, dass die kommissarische Betriebsleiterin Sabine Bibas künftig die Tarifverhandlungen für die Erzieherinnen selbst führen wird. Bislang war ich dafür zuständig.
SZ: Was ändert sich für die Eltern?
Wolf-Dieter Müller: Erstmal nichts. Der Sitz in der Riesaer Straße bleibt. Und wenn die Kita-Gebühren steigen sollten, dann liegt das vielleicht am Landtag, aber nicht am Eigenbetrieb.
SZ: Plant die Stadt weitere Eigenbetriebe?
Wolf-Dieter Müller: Im Moment nicht. Allerdings können wir uns künftig vorstellen, die Hausmeister in einem Eigenbetrieb zu vereinen. Dazu läuft bereits ein Modellprojekt im Ortsamt Leuben und in Teilen des Ortsamtes Loschwitz. Die Hausmeister arbeiten dort nicht mehr getrennt nach Anstellung in Schule, Kita oder Hort, sondern in Gruppen, die sich nach der Lage der Gebäude richten.
SZ: Hausmeister: Endlich Sense mit der Sense
Wolf-Dieter Müller: Dadurch können Hausmeister benachbarter Einrichtungen ihre Kräfte konzentrieren, koordinieren und ihre Arbeitsgeräte austauschen. Dann kommt es zum Beispiel nicht mehr vor, dass der Hausmeister einer Schule einen Rasenmäher hat, und in der benachbarten Kita mit der Sense gemäht werden muss.
Unterm Strich spart das Modell Personal und Arbeitsgeräte.
SZ: Mehrere städtische Ämter wie das Grünflächenamt bekommen bereits ein Budget, über das sie relativ eigenverantwortlich bestimmen können. Warum wird dieses Modell nicht ausgeweitet?
Wolf-Dieter Müller: Wir wollten die Ämter nicht flächendeckend auf das sogenannte neue Steuerungsmodell umstellen, weil jedes Amt wichtige Erfahrungen sammelt, die nach und nach mit einfließen sollen. Außerdem möchten wir niemanden zwingen, weil dann die angestrebten Leistungs-Effekte nicht kommen. Als nächstes planen wir ein eigenes Budget für die Feuerwehren. Und auch fürs Gesundheitsamt ist an Budgetierung gedacht.
SZ: Der Stadtrat hat den Abbau von 1 400 Rathaus-Stellen bis 2003 gefordert. Wie kommen Sie damit voran?
Wolf-Dieter Müller: Als ich 1991 anfing, zählte die Stadtverwaltung 22 990 Mitarbeiter. Zum Januar 2001 werden es noch 7 027 sein, wobei natürlich ein Teil durch die Bildung der Eigenbetriebe aus der Statistik fällt. Die 1 400 geforderten Stellen sind bereits alle gestrichen. Durch Privatisierung der technischen Dienstleistungen, Privatisierungen im Jugendamt, 58er-Regelung, Altersabgänge usw. sind 1 091 Mitarbeiter tatsächlich weg. Die restliche Zahl erfüllen wir noch.
SZ: Die CDU-Fraktion will den Leiter des Denkmalschutzamtes einsparen. Halten Sie das für sinnvoll?
Wolf-Dieter Müller: Ein ähnlicher Vorschlag kam vor fünf Jahren schon mal von der Arbeitsgemeinschaft Haushaltskonsolidierung. Damals wurde die Idee aufgrund von zahlreichen Protesten bis weit über die Grenzen der Stadt hinaus verworfen. Einer Stadt wie Dresden stände es nicht gut zu Gesicht, den Posten abzuschaffen.
SZ: Denkmalschutzamt: "Keine Gespräche" Trotzdem soll die Ausschreibung des Nachfolgers von Stadtkonservator Hermann Krüger bereits auf Eis gelegt worden sein.
Wolf-Dieter Müller: Es gab mehrere Bewerber für die Stelle. Der Oberbürgermeister hat noch keine Gespräche geführt. Die Sache ist offen.
SZ: Schauen Sie bei Personal und Umstrukturierung im Rathaus auch mal über die Stadtgrenzen hinaus, wie andere Kommunen vorgehen?
Wolf-Dieter Müller: Ich bin Vorsitzender des Ausschusses für Personal und Organisation beim Deutschen Städtetag, der sich zweimal im Jahr trifft und Erfahrungen austauscht. Jahrelang waren die ostdeutschen Städte die Exoten, doch inzwischen haben sich die Probleme angeglichen. Erst in der vergangenen Woche waren wir in Bochum. Dort ging es um Zeitbudgets und Call-Center für die Städte. Dresden wird ja oft mit Leipzig verglichen und im Landtag immer wieder gescholten, weil Leipzig mit nur rund 6 000 Stadt-Mitarbeitern auskommt. Dabei hat Leipzig schon mehr Eigenbetriebe. Deren Mitarbeiter fallen dann aus der Statistik raus. Das ist Schönrechnerei.
SZ: OB-Herausforderer
Karl Nolle will im Wahlkampf mit einem bürgerfreundlicheren Rathaus werben. Wie bürgerfreundlich finden Sie ihr Haus?
Wolf-Dieter Müller: Wir geben uns große Mühe. Bürgerfreundlichkeit meint, dass unsere Kunden mit ihrem Anliegen von Spezialisten umfassend beraten und bedient werden. Das geschieht insbesondere in den zehn Ortsämtern - zum Beispiel bei Bauangelegenheiten und Sozialhilfe. Im Bürgerbüro Gorbitz bieten wir einen umfassenden Service aus einer Hand an. Die Verwaltung ist jetzt auch im Internet präsent. Das muss allerdings noch schrittweise wachsen. Insgesamt denke ich, dass sich unsere Mitarbeiter inzwischen durch korrektes und freundliches Auftreten auszeichnen.
Interview: Katrin Saft