Sächsische Zeitung am Sonntag, 15.05.2005
Affäre: Zähes Ringen am Abgrund
Der Konflikt um die Landesbank bedroht Sachsens Regierung. Ein Überblick über Gründe und Beteiligte des Streits.
Bisher half der Landes-CDU und ihren Ministern in der Affäre um die Sächsische Landesbank nichts: nicht ihr Widerstand gegen einen Landtags-Untersuchungsausschuss und gegen die Entlassung von Bankvorständen, nicht ihre Dementi strafrechtlich relevanter Vorwürfe oder die Verweise auf Erfolge der Bank und Gefahren für sie. Fast täglich brechen Steine aus dem Wall, den die CDU und ihre Kabinettsvertreter um die Bank und deren Führung türmen.
Am Mittwoch wählt nun der Landtag auf Antrag der PDS den Untersuchungsausschuss. Er soll klären, ob die Regierung ihre Aufsichtspflicht bei der SachsenLB verletzt hat. Zur Rede stehen mutmaßliche Urkundenfälschung, Prozessbetrug und Vetternwirtschaft.
Die CDU-Fraktion, die das Nominierungsrecht hat, will als Ausschussvorsitzenden einen ihrer unauffälligsten Abgeordneten, Gottfried Teubner aus Freiberg, küren. Das scheint ein Signal, dass sie auch hier die Aufdeckung aller Hintergründe eher ausbremsen möchte. Dabei sind die Fäden zwischen SachsenLB und Regierung eng gestrickt, wie folgende Übersicht zeigt.
URSACHE: die MDL - Inhaber
Der Streit entstand aus Zerwürfnissen in der Mitteldeutschen Leasing AG. Die MDL wurde im Jahr 2000 als Immobilien-Tochter von der SachsenLB, an der der Freistaat beteiligt ist, und dem bayrischen Unternehmer Ludwig Hausbacher gegründet. Als der Beschlüsse einer Gesellschafterversammlung vom August 2003 nicht akzeptierte, die seinen Einfluss bei der MDL schmälern, zog er gegen die Bank vor Gericht. Die Bank sah das als eine Attacke, die Hausbacher wählte, damit die Bank ihm seine 49 Prozent Anteile an der MDL für teure 33 bis 40 Millionen Euro abkauft. Die Bank bot ihm nur 3 Millionen.
VORWURF AKTENFÄLSCHUNG
Hausbacher bemängelte, die Bank habe erst 2004 ihre Mehrheitsbeteiligung an der MDL im Bundesanzeiger veröffentlicht. Die Beschlüsse von 2003 seien daher laut Aktienrecht ungültig. Die Spitze der SachsenLB legte danach ein Dokument vor, das auf den 15. April 2003 datiert ist und beweisen sollte, dass sie die Anteile rechtzeitig gemeldet hat. Doch gibt es Indizien, dass das Papier mit Wissen oder auf Weisung der Bankvorstände Michael Weiss und Rainer Fuchs zurückdatiert sein könnte - also gefälscht. Im Dezember 2004 zweifelte auch das Oberlandesgericht Dresden die Echtheit des Papiers an, am 11. Januar 2005 gab sie Hausbacher Recht. Diese Woche wuchs der Druck, weil Bank-Mitarbeiter die Fälschung bestätigten. Der Bank drohen 140 Millionen Euro Schadenersatzforderungen von Hausbacher.
AUFSICHT DES LANDES
Fehler der SachsenLB fallen stets auf die Staatsregierung zurück. Sie hat in der Bank eine Kontrollaufgabe, da die Bank 1992 vom Freistaat gegründet wurde und sie die regionale Wirtschaft stärken soll. Derzeit hält das Land knapp ein Fünftel der Anteile über die „Sachsen-Finanzgruppe", der zudem Sparkassenverbände, Landkreise und kreisfreie Städte angehören. 18 Prozent an der Bank besitzen weitere Sparkassenverbände. Für das Land hat der Finanzminister den Vorsitz im Verwaltungsrat - bis 2002 der heutige Regierungschef Georg Milbradt, kurzzeitig der jetzige Innenminister Thomas de Maizière, derzeit Horst Metz (alle CDU).
AFFÄREN
Die SachsenLB und die MDL sind seit Jahren von Affären belastet. Im Februar 2004 wurde Vorstandschef Michael Weiss vorgeworfen, Dienstwagen über die MDL zu teuer angeschafft zu haben. Bankvorstand Rainer Fuchs soll angewiesen haben, Mitarbeiter zu bespitzeln. Auch hob die Bankführung 2003 die Lebensgefährtin von Weiss als Alleinvorstand an die Spitze der MDL, obwohl die Kompetenz von Andrea Braun strittig war. Mit Brauns Leitung werden millionenteure Geschäftsverluste der MDL verbunden. Finanzminister Metz und Regierungschef Milbradt, der ein Vertrauter von Weiss ist, hielten lange ihre Hand über die Vorstände. Sie erklärten, das Image der Bank zu schützen. Erst im April 2004 verschärfte Metz die Dienstwagen-Regeln, und sogar erst Anfang März 2005 baten Weiss und Fuchs um ihre Abberufung.
BIEDENKOPFS SCHWIEGERSOHN
Als „Vater” der SachsenLB und Ministerpräsident hatte Kurt Biedenkopf stets Einfluss in der Bank. Er ist mit MDL-Mitinhaber Ludwig Hausbacher gut bekannt und vermittelte 2004 zwischen ihm und der Bank. Sein Schwiegersohn Andreas Waldow leitete die Reinigungsfirma Wisag, die in der SachsenLB arbeitete. Heute ist Waldow Pressesprecher von Hausbachers Firma IIL, die von der SachsenLB 140 Millionen Euro Schadenersatz fordert. In dem Brief an Milbradt, der diese Woche publik wurde, hatte Biedenkopf sich gegen Gerüchte gewandt, Waldow habe Bank-Interna gestreut.
RISIKEN FÜR SACHSEN
Als Anteilseigner trägt der Freistaat Verluste der SachsenLB mit. Vor allem aber haften die Kommunen als Eigner der Sparkassen. So droht Hausbachers Schadenersatzforderung. Töchter wie die MDL sind hoch verschuldet. Als Ausweg aus der Krise will die Sachsen-Finanzgruppe der SachsenLB einen dreistelligen Millionenbetrag geben.
UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSS
Anfang 2005 scheiterten zwei NPD-Anträge auf einen „UA", aus dem die Neonazis politisches Kapital schlagen wollten. Ende April kam er per PDS-Antrag zustande. Grüne und CDU beharrten zudem auf einem Unterausschuss im Finanzausschuss, der über künftige Konzepte der Bank berät.
Stefan Melle