Dresdner Neueste Nachrichten, 11.07.2005
Leipziger Vorzeigekandidat scheitert
Das Drama hatte sich bereits am Vorabend abgezeichnet
Chemnitz. Das Drama hatte sich bereits am Vorabend abgezeichnet. Am Freitag hatten sich die SPD-Spitzen intern auf einen Vorschlag für die Landesliste zur Bundestagswahl geeinigt, und schon kurz danach sprachen SPD-Insider von einer "Kampfkandidatur um Platz 3". Andreas Weigel, aufstrebende SPD-Kraft aus Zwickau, werde sich nicht bescheiden, hieß es, er werde antreten gegen den Leipziger Altabgeordneten Gunter Weißgerber. Grund: Weigel war von der Spitze um Parteichef Thomas Jurk auf Platz 8 gesetzt worden - ein Wackelposten. Weißgerber aber firmierte komfortabel auf Platz 3.
Zwölf Stunden später war es dann soweit. Eben hatten die Delegierten auf dem SPD-Parteitag im Chemnitzer Industriemuseum Rolf Schwanitz (Vogtland) sowie Marlies Volkmer (Dresden) glatt auf die Plätze 1 und 2 gesetzt, da kam Weigel aus der Deckung. Erst kritisierte der 41-Jährige den Listenvorschlag, dann ging er in die Offensive. Oft seien bei SPD-Abgeordneten "kaum Ziele erkennbar, außer Mandatserhalt". Das war nicht zuletzt auf Weißgerber gemünzt, und Weigel bekam Beistand. Der Zwickauer müsse nach vorn gerückt werden, sagte Ines Vogel aus Annaberg, schließlich sei er "der erste in der SPD-Landesgruppe, der kein Seeheimer ist". Der Seeheimer Kreis gilt SPD-intern als konservativ. Jeder erwartete nun eine Gegenrede der Delegierten aus Leipzig, doch die Rückendeckung für Weißgerber blieb aus. Mit 37 zu 22 wurde Weigel nominiert, Weißgerber zog die Konsequenz und wollte auch für hintere Listenplätze nicht mehr antreten.
Dann kam die Stunde von
Karl Nolle. Nachdem der SPD-Aufklärer eine Stippvisite beim PDS-Parteitag absolviert hatte, fuhr er am Nachmittag nach Chemnitz - und kritisierte den Zustand der SPD. Bisher habe er immer gedacht, "die PDS sterbe aus", rief er. "Aber ich befürchte, dass dies mit unserer SPD in Sachsen passieren kann." Die Partei müsse sich profilieren, dürfe in der Koalition mit der CDU nicht ihre "Seele verkaufen".
Parteichef Thomas Jurk konterte: "Opposition ist Mist. Wir sind stolz, diesen Freistaat mitregieren zu können".
Jürgen Kochinke