DNN/LVZ, 02.09.2005
Telefon-Affäre: Linkspartei bringt andere Fraktionen in Zugzwang
Dresden. Die Schnüffel-Attacke im Freistaat wird endgültig zum Wahlkampfthema. Gestern beantragte die Linkspartei eine Sondersitzung im Landtag, möglichst schon in der kommenden Woche. Nach der Ausforschung von Telefon-Kontakdaten eines Staatsanwalts sowie eines Journalisten bestehe "dringender Handlungsbedarf für das Parlament", teilte die Fraktion mit. Dazu zähle auch das Agieren von Justizminister Geert Mackenroth (CDU) und seine "unbefriedigenden Erklärungen".
Einen ähnlichen, wenn auch zurückhaltender formulierten Antrag hatten bereits die Koalitionsfraktionen CDU und SPD gestellt. Allerdings mit einem kleinen Unterschied: Laut CDU und SPD sollte das Thema in der nächsten regulären Sitzung stattfinden, und das wäre erst nach der Bundestagswahl gewesen. Das eindeutige Votum der Linkspartei ändert nun die Sachlage. Denn die 31 Abgeordneten der Fraktion können den Antrag auch allein durchsetzen, weil sie exakt ein Viertel im Parlament stellen, das dafür notwendig ist.
Damit bringen die Linkssozialisten die anderen Fraktionen in Zugzwang. Als erster reagierte gestern CDU-Fraktionschef Fritz Hähle. Es bestehe "überhaupt kein Anlass für eine Sondersitzung", sagte er, der Antrag der Linkspartei sei "Wahlkampfklamauk". Vorsichtiger agierte sein SPD-Pendant Cornelius Weiss. "Wenn die PDS eine Sondersitzung für notwendig erachtet, ist es nicht unsere Aufgabe, diese zu verhindern, auch wenn ich das für Wahlkampf halte."
Hintergrund der Affäre ist ein Ermittlungsverfahren gegen einen inzwischen versetzten Staatsanwalt der Antikorruptions-Einheit Ines wegen Geheimnisverrats. Anlass war eine Razzia bei Ex-Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU), die an den Journalisten "durchgestochen" worden war. Hier wurden auch Telefon-Kontakdaten von ihm ermittelt. Inzwischen steht fest, dass nicht nur Mackenroth, sondern auch Regierungschef Georg Milbradt (CDU) informiert war - der eine vor der Aktion, der andere danach. "Dieser Angriff auf die Pressefreiheit stinkt zum Himmel", sagte gestern der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Torsten Herbst. Eine Sondersitzung aber lehnte er ab. "Das ist eine reine Showveranstaltung". Ähnlich sah Johannes Lichdi von den Grünen die Lage. "Wir fordern dringend Aufklärung in der Sache, aber im Justizausschuss."
Dabei hat die Linksfraktion ihren Antrag durchaus mit einem pfiffigen Ansatz gewürzt. Entscheidend sei es, dass von Sachsen "ein Signal von bundespolitischer Bedeutung" ausgeht, heißt es darin. Das Parlament müsse demonstrieren, "dass eine Änderung der Strafprozessordnung notwendig ist, um Einschränkungen der Pressefreiheit wieder aufzuheben". Dabei geht es um die Paragrafen 100g und 100h der Strafprozessordnung, die Rot-Grün auf Bundesebene Ende 2001 durchgesetzt hat. Tenor: Im Gegensatz zu Geistlichen, Anwälten und Abgeordneten können Telefondaten prinzipiell abgefragt werden - selbst bei Bagatell-Delikten. Journalisten werden davon an dieser Stelle nicht grundsätzlich ausgenommen. Die Daten sollen jedoch nur angefordert werden, wenn die Aufklärung auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert ist. Diesen Ermessensspielraum hatte die Justiz im Freistaat komplett in ihrem Sinne ausgereizt - was auch in der CDU für Verstimmung sorgt. Schließlich soll der betroffene Staatsanwalt seine Vorgesetzten selbst darüber informiert habe, dass er vor der Durchsuchung von dem Journalisten angerufen worden war.
Jürgen Kochinke