Dresdner Morgenpost, 31.08.2005
Morgenpost bespitzelt
So funktionierte der Geheimcode
DRESDEN - Die Spitzel-Affäre auf die Morgenpost weitet sich zum handfesten Skandal um den obersten Dienstherrn der Justiz aus. Denn was die Staatsregierung bislang verschwieg, enthüllt heute die Morgenpost: Minister Geert Mackenroth (55, CDU) hat nicht nur in der Schnüffelei seiner Fahnder kräftig mitgemischt, sondern sogar selbst das Signal zum Angriff gegeben - durch Nichtstun Grundlage des perfiden Plans war ein „Geheimcode" zwischen obersten Stellen mit der Staatsanwaltschaft in Chemnitz. Hiernach sollten zwar die Chemnitzer Ermittler für die Maßnahmen „letztendlich verantwortlich" sein, aber vorher musste jeder Ermittlungsschritt über den Generalstaatsanwalt" beim Justizministerium „zur Prüfung" eingereicht werden. So flatterten bereits wenige Tage nach Ermittlungsbeginn drei Beschlussentwürfe und der dazugehörige Bericht bei Generalstaatsanwalt Jörg Schwalm in Dresden auf den Tisch.
Damit sollten vertrauliche Telefonverbindungsdaten von insgesamt 29 Kriminalisten des LKA, 19 Staatsanwälten und INES-Mitarbeitern sowie eines Morgenpost-Redakteurs angezapft werden. Ziel: den möglichen Tippgeber der Morgenpost zu enttarnen.
Wie vereinbart, wurden die Papiere am 6. Juni ins Justizministerium gefaxt. „Die Berichte über die Überprüfungsaktionen habe ich am 7. Juni gesehen", gestand Minister Mackenroth am Montag vor Journalisten und behauptete: Vom ministeriellen Weisungsrecht habe ich aber keinen Gebrauch gemacht."
Musste er auch nicht. Denn in den Papieren hieß es, wenn es bis zum 8. Juni keine Reaktion gibt, würden die oben genannten Beschlussentwürfe beim Amtsgericht in Chemnitz eingereicht. Also Schweigen bedeutete grünes Licht" für den Schnüffel-Angriff. Grünes Licht für ein Unterfangen, das selbst die Chemnitzer Staatsanwälte in ihrem Schreiben als „zweifelhaft" einstuften.
Die Schnüffel-Affäre nahm ihren Lauf. Wie von den Ermittlern vermutet, schmetterten zwei Gerichtsinstanzen die Anträge gegen LKA und INES ab, ließen aber den Angriff auf die Morgenpost zu. Noch am Sonntag hatte Mackenroth behauptet: „Ich habe auf die Ermittlungen keinen Einfluss genommen."