Agenturen dpa, 07.09.2005
"Hoffentlich ein Einzelfall"
Sondersitzung des Sächsischen Landtags: Justizminister Mackenroth verteidigt Journalisten-Ausforschung
Dresden - Die Ausforschung von Journalisten-Kontakten durch Sachsens Justiz bleibt weiter ein Streitfall. Auch in der CDU/SPD-Koalition gibt es dazu unterschiedliche Auffassungen, machte eine von der Linkspartei.PDS beantragte Landtagssondersitzung am Mittwoch in Dresden deutlich. Redner aller Fraktionen jenseits der CDU kritisierten fehlende Sensibilität der Justiz beim Umgang mit dem im Grundgesetz verbrieften Recht auf Pressefreiheit. Gleichzeitig gab es Kritik an der PDS, der als SED-Nachfolgepartei das Recht abgesprochen wurde, sich zum Anwalt der Pressefreiheit zu machen.
Hintergrund ist ein Ermittlungsverfahren der Chemnitzer Staatsanwaltschaft gegen den inzwischen versetzten Staatsanwalt der sächsischen Antikorruptionseinheit INES, Andreas Ball, unter anderem wegen Geheimnisverrats. Es kam in Gang, nachdem im Mai der Termin einer INES-Razzia beim früheren Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) durchgesickert und ein Journalist der „Dresdner Morgenpost“ bei der Razzia vor Ort war. Auf der Suche nach dem Leck wurden die Telefondaten des Staatsanwaltes und des Journalisten erhoben.
Mackenroth: Es soll ein Einzefall bleiben
Justizminister Geert Mackenroth (CDU) verteidigte erneut die Erhebung der Telefondaten. Diese sei bei der unverzichtbaren Suche nach dem Informationsleck notwendig gewesen und durch das Gesetz gedeckt. „Ich finde es bedauerlich, dass die Pressefreiheit durch eine rechtmäßige Maßnahme tangiert werden musste“, sagte Mackenroth. Es sei ein Einzelfall, „der hoffentlich ein solcher bleiben und sich nie wiederholen wird.“
SPD-Fraktionschef Cornelius Weiss nannte dagegen das Vorgehen der Staatsanwaltschaft „aus dem politischen Blickwinkel“ falsch. Für ihn stehe außer Frage, „dass es der Staatsanwaltschaft an der gebotenen Sensibilität im Umgang mit der verfassungsrechtlich geschützen Pressefreiheit gefehlt hat.“ Nicht alles, was legal sei, sei auch legitim. Es mache jedoch keinen Sinn, in der aufgeheizten Phase des Wahlkampfes einen derart komplizierten Sachverhalt zu behandeln.
Der Grünen-Abgeordnete Johannes Lichdi sprach mit Blick auf die Ermittlungen von einem „Verdacht der parteipolitischen Einflussnahme“. Er stelle sich die Frage, ob das „massive Vorgehen“ der Ermittler bei dem Verdacht auf Geheimnisverrat in Sachsen üblich sei. „Wohl kaum“, so seine Antwort. Auch der FDP-Rechtsexperte Jürgen Martens zweifelte wie weitere Redner die Verhältnismäßigkeit der Ermittlungen an. Zudem wurde in der Debatte mehrfach die Frage gestellt, weshalb Daten erhoben wurden, obwohl der betroffene Staatsanwalt - wie Minister Mackenroth nach der Landtagssitzung auf dpa-Anfrage einräumte - ein Gespräch mit dem Journalisten zugegeben hatte.
Die PDS schlug einen Bogen von dem Einzelfall zur Bekämpfung der Korruption in Sachsen. Rechtsexperte Klaus Bartl äußerte dabei die Vermutung, dass mit den Untersuchungen gegen den INES-Staatsanwalt politischer Druck auf die Antikorruptionsermittler ausgeübt werden sollte. Er sei überzeugt, dass die Mitarbeiter von INES nach den jetzigen Vorgängen nicht mehr frei ermitteln könnten. INESwar 2004 gegründet worden und ermittelt derzeit unter anderem wegen eines Millionenbetrugs mit EU-Fördermitteln im einst CDU-geführten Wirtschaftsministerium oder im Fall der Schmiergeldaffäre um den entlassenen MDR-Sportchef Wilfried Mohren. (dpa)