Freie Presse Chemnitz, 08.09.2005
Die Weißwäscher - Wie die CDU die Schnüffel-Affäre herunterspielen will
Kommentar von Dieter Soika:
Die sächsische CDU ist nervös. Kein Wunder. Bei der letzten Wahl 16 Prozentpunkte zu verlieren und nun 10 Tage vor dem nächsten Urnengang eine Schnüffel-Affäre am Halse zu haben - das muss beunruhigen. Wahlen werden in Ostdeutschland entschieden. Sachsen hat dabei eine Schlüsselstellung. Nun kommt die CDU durch neue Umfragen unter Druck. Ihre politische Konkurrenz gewinnt nämlich deutlich dazu. Es sieht so aus, als ob es ganz knapp werden dürfte.
Falls es, wie schon 2002, am Ende wieder nicht reichen sollte, werden in der Union natürlich Sündenböcke benötigt. Dazu möchten Sachsens Christdemokraten verständlicherweise nicht gehören. Also haben sie gestern im Landtag ihren großen Weißwaschtag eingelegt. Dass diese CDU-Fraktion ein eigentümliches Verständnis von ihrer parlamentarischen Kontrollfunktion hat, ist ja schon aus anderen Affären hinlänglich bekannt.
Auch den Fall Schommer will man nicht aufgeklärt sehen. Deshalb versucht die CDU abzulenken. Dass ihr früherer Wirtschaftsminister Schommer 6oo.ooo Euro „Beraterhonorar" kassiert hat und dass Korruptionsexperten deshalb gegen ihn ermittelt und auch sein Haus durchsucht haben, soll nicht länger öffentlich erörtert werden. Die um Schommers Ruf besorgten Parteifreunde wollen nur eins wissen: Woher hat die Presse ihre Informationen? Aber diese Frage kann auch der für die Schnüffelei politisch verantwortliche CDU Justizminister nicht beantworten. Seine Überwachungsaktion war ein Schlag ins Wasser.
Weil man erfolglos gewesen ist, kühlte man sein Mütchen an anderer Stelle. Deshalb wurden gestern im Landtag die Grundrechte eines bislang unbescholtenen Bürgers mit Füßen getreten. Gerade jene, die stets vor „Vorverurteilungen" warnen, wenn es um ihresgleichen geht, schwadronierten über einen strafversetzten Staatsanwalt, als ob es sich dabei um einen rechtskräftig zu hoher Haftstrafe verurteilten Kriminellen handeln würde. Der Justizminister ging mit schlechtem Beispiel voran und plauderte sogar Einzelheiten eines Ermittlungsverfahrens aus.
In der Schnüffel-Affäre wiederholen sich jene Methoden, die es vor zwei Jahren bereits in dem Skandal um die Landespolizeischule gegeben hatte. Auch damals waren unschuldige Landesbeamte von ihrem Dienstherrn öffentlich verdächtigt, gedemütigt und abgeurteilt worden. Damals wie heute menschlich unanständig und politisch unerträglich.