Süddeutsche Zeitung, 24.12.2005
NPD in Sachsen
Den Rechtsextremisten laufen die Abgeordneten davon
Innerhalb weniger Tage hat der dritte NPD-Politiker die Partei und die Fraktion verlassen. Der Abgeordnete bat den Landtagspräsidenten um Schutz, da er sich "von rechtsradikalen Elementen bedroht fühlt".
Die NPD käme laut einer Umfrage nur noch auf vier Prozent, wenn am nächsten Sonntag Landtagswahl wäre.
NPD-Sprecher Holger Szymanski bestätigte den Rückzug des Leipzigers Jürgen Schön. Szymanski lag eine entsprechende Erklärung des Abgeordneten vor, in der Schön auch Gründe nannte.
Der Politiker habe seine Entscheidung auch der Landtagsverwaltung mitgeteilt, sagte Landtagssprecher Ivo Klatte.
Schön habe Landtagspräsident Erich Iltgen gebeten, für seinen persönlichen Schutz zu sorgen. In den vergangenen Tagen hatten bereits zwei NPD-Abgeordnete Partei und die ursprünglich zwölfköpfige Fraktion verlassen. Alle wollen ihr Landtagsmandat behalten.
Schön begründete seinen Schritt weiter mit Unzufriedenheit über die NPD-Führung um Fraktionschef Holger Apfel, berichtet die Leipziger Volkszeitung . Auch die beiden aus der NPD ausgetretenen Landtagsabgeordneten Klaus Baier aus Annaberg-Buchholz und Mirko Schmidt aus Meißen hatten Unzufriedenheit angegeben. Der Ausstieg der beiden wurde von Sachsens Verfassungsschutz begleitet.
Beratung für Aussteiger
Seit Beginn des Aussteigerprogramms im April 2001 haben insgesamt 31 Personen die rechtsextremistische Szene verlassen, wie der Sprecher des sächsischen Verfassungsschutzes, Alrik Bauer, sagte. Bis auf den NPD-Abgeordneten Schmidt habe es sich um Personen gehandelt, die Kameradschaften oder Skinheads angehörten.
Nach Aussagen von Bauer haben sich diejenigen, die dem Rechtsextremismus den Rücken gekehrt hatten, über eine speziell eingerichtete Hotline selbst gemeldet. Seine Behörde habe unter dem Namen "Aussteiger-Telefon Rechtsextremismus" eine eigene Rufnummer eingerichtet. In wenigen Fällen sei der Kontakt schriftlich von den Betroffenen aufgenommen worden. Der Verfassungsschutz hofft nun auf eine Signalwirkung durch die jüngsten Ausstiege.
Morddrohungen gegen ehemalige Mitglieder der rechten Szene habe es bisher noch nicht gegeben, wohl aber Androhung von Gewalt. Bauer sagte: "Es ist bekannt, dass die rechtsextremistische Szene mit Aussteigern nicht zimperlich umgeht." Nach den Austritten hat die Partei für den 29. Januar einen Sonderparteitag einberufen.
NPD verliert an Zuspruch
Die NPD in Sachsen ist unterdessen in der Wählergunst abgestürzt. Laut einer Umfrage der Sächsischen Zeitung käme die Partei nur noch auf vier Prozent, wenn am nächsten Sonntag Landtagswahl wäre.
Sie würde damit nicht wieder in das Parlament einziehen. Bei der Umfrage wurden am 19. und 20. Dezember 835 Wahlberechtigte befragt. Bei der Wahl im vergangenen Jahr war die NPD mit 9,2 Prozent Stimmenanteil in den Landtag eingezogen, sie hatte 12 Mandate bekommen.