DNN/LVZ, 15.03.2006
Rückzug eines Schwergewichts
Dresden. Schon seit Wochen hängt der Haussegen schief, gestern platzte nun die Bombe.
Karl Nolle, das SPD-Schwergewicht mit Hang zum Querdenkertum, wirft hin, gibt seinen fraktionsinternen Posten als wirtschaftspolitischer Sprecher ab. Nolle habe sein Amt in der Fraktionssitzung zur Verfügung gestellt, teilte Fraktionschef Cornelius Weiss in einer betont knappen Erklärung mit. Aus SPD-Fraktionskreisen verlautete, es habe sich gezeigt, dass "keine Vertrauensbasis mehr besteht".
Damit zog der Druckerei-Unternehmer die Konsequenz aus den Verwerfungen zwischen ihm und der SPD-Spitze, die in den vergangenen Tagen eskalierten. Anlass dafür war ein Thesenpapier, in dem Nolle "seiner" SPD die Leviten las. Tenor: Die Kommunikation zwischen Fraktion und eigenen Ministerien funktioniere nur schleppend, vor allem das Wirtschaftsressort unter Minister Thomas Jurk sei wenig konstruktiv (diese Zeitung berichtete). Jurk freilich ist nicht nur für Wirtschaftsfragen zuständig, sondern auch SPD-Parteichef. Nolle ging den eigenen Landesvorsitzenden unmittelbar an.
Entsprechend barsch reagierte die SPD-Spitze. Er schätze den Einsatz des Abgeordneten Nolle, gab Weiss öffentlich zu Protokoll, aber nicht dessen Übertreibungen. Der Unternehmer neige zu "ultimatumartigen" Forderungen, sei "teamunfähig" und präsentierte sich gern als der "einzige aufrichtige Genosse" im Freistaat. Dabei stand Nolle mit seinem Politikstil schon vorher oft genug quer zur Linie seiner Parteifreunde - zum Beispiel im Untersuchungsausschuss zur Landesbank, mit seiner Kritik an der Rolle der SPD in der Koalition, aber eben auch in der Wirtschaftspolitik.
Genau darum drehte sich der Streit mit Jurk in den letzten Wochen. In gewohnt herben Worten hatte sich Nolle die Haltung des Wirtschaftsministeriums zur Brust genommen, hatte Jurk beim Thema Fördermittel aus der so genannten Gemeinschaftsaufgabe (GA) öffentlich angezählt. Nicht weniger als 85 Millionen Euro ostweit hätte das Haus Jurk leichtfertig verspielt, teilte er mit, für Sachsen ergebe sich ein Verlust von 20 Millionen.
Der SPD-Chef reagierte sauer, noch härter aber ging der Sprecher des SPD-Landesverbands, Andreas Weigel, zu Werke. Die SPD-Fraktion sei gut beraten, Nolle als wirtschaftspolitischen Sprecher abzulösen, lautete Weigels Hinweis.
Eben dazu ist es jetzt gekommen, wenn auch auf Initiative von Nolle selbst. Ein Antrag auf Ablösung des Unternehmers aus den Reihen der Fraktion habe es nicht gegeben, hieß es gestern aus SPD-Kreisen. Nolle habe "freiwillig" hingeschmissen, mehr oder weniger. Dass das Schwergewicht damit auch endgültig die Konsequenzen zieht und der Fraktion oder gar der SPD den Rücken kehrt, sei kein Thema in der Fraktionssitzung gewesen - zumindest gestern nicht.
Jürgen Kochinke