Sächsische Zeitung, 16.03.2006
Nolle verschnupft, Partei sauer
Debatte. Der Rücktritt ihres Chefaufklärers beschäftigt Sachsens SPD mehr, als ihr lieb ist.
Seit gestern liegt der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle offiziell krank im Bett und ist damit für die Landtagssitzungen in dieser Woche entschuldigt. Und tatsächlich ist Nolle, der als Politik-Rambo in den letzten Jahren bevorzugt Skandale anschob und mit der prompt folgenden öffentlichen Entrüstungswelle manchen Punkt für die SPD einfuhr, zurzeit arg verschnupft. Auslöser sind aber keine Viren, sondern die eigenen Genossen. Der selbst ernannte „Chefaufklärer“ kollidierte nämlich zuletzt regelmäßig mit seiner Partei, nachdem diese als Regierungspartner der CDU plötzlich mehr an Kompromissen als an Konfrontation interessiert war. Als „Chefkritiker“ wie zuletzt im Fall von SPD-Landeschef und Wirtschaftsminister Thomas Jurk, dem Nolle öffentlich mangelnde Teamfähigkeit vorhielt, ist der robuste Druckereibesitzer bei der SPD aber nicht gefragt. Der Streit eskalierte, und Nolle legte jetzt demonstrativ sein Amt als wirtschaftspolitischer Fraktionssprecher nieder.
Wie verhärtet die Fronten sind, zeigt sich daran, dass SPD-Chef Jurk mit seiner Kritik an Nolle keinen Schritt zurückweicht. „Wir haben viel Langmut bewiesen, einmal muss Schluss sein.“ Nicht ihm, sondern Nolle mangele es am Willen zur Kommunikation, und Nolles Rücktritt sei eine lange vorbereitete Aktion gewesen, ist Jurk überzeugt.
Auch SPD-Fraktionschef Cornelius Weiss nahm kein Blatt vor den Mund. Wer jetzt von einem Imageschaden für die SPD spreche, müsse wissen, dass Nolles Wirken der Fraktion zuletzt mehr geschadet als genutzt habe. „Er hat uns die Arbeit unglaublich erschwert.“ Auf der internen Fraktionssitzung vor zwei Tagen sollen noch härtere Vorwürfe erhoben worden sein: Nolles Kritik an Jurk sei „parteischädigend“, er erledige damit nur das Geschäft des politischen Gegners. Gemeint war in diesem Fall übrigens der Koalitionspartner CDU. Es gibt aber auch nachdenklichere Stimmen. „Nolle bleibt natürlich ein Teil der SPD, der für die öffentliche Wahrnehmung über die Landtagsfraktion hinaus wichtig ist“, sagt Fraktionskollege Martin Dulig und baut damit an einer ersten schmalen Brücke. Selbst Weiss erklärt trotz aller Kritik am Enfant terrible der sächsischen Sozialdemokratie, die Tür bleibe für Nolle offen. „Die SPD hat ihn ja nicht ausgeschlossen, er ist von sich aus gegangen.“
Lange dürfte es nicht dauern, bis Nolle auf die politische Bühne zurückkehrt. O-Ton aus der Fraktion: „Schließlich ist er genauso sensibel wie eitel.“ So gab es schon gestern erste Signale, dass Karl der Wadenbeißer bereits am Montag wieder gesund ist. Dann tagt der Untersuchungsausschuss zur Landesbank-Affäre. Ein Termin, dem kein Chefaufklärer widerstehen kann.
Von Gunnar Saft