DIE WELT, 07.04.2006
Neuer Eklat bei der SachsenLB
Hausdurchsuchung bei Landesbank-Tochter bringt Ministerpräsident Georg Milbradt in Bedrängnis
Leipzig - Ein Bankeninsider hatte die Staatsanwaltschaft Dresden informiert. Da Gefahr im Verzug war, schlugen die Ermittler kurz darauf zu: Sie durchsuchten am Dienstagnachmittag in Leipzig die Geschäftsräume der Mitteldeutschen Leasing AG (MDL), einer Tochterfirma der Landesbank Sachsen. Dank präziser Hinweise mußte man nicht lange suchen und wurde rasch fündig. "Die Beamten haben Unterlagen mitgenommen, wir haben Kopien gemacht", bestätigte SachsenLB-Chef Herbert Süß der WELT die Aktion.
Mit der Hausdurchsuchung gerät der affärengeschüttelte Landesbankenkonzern erneut in die Schlagzeilen. Wegen offenkundiger Manipulation einer Urkunde, einer mutmaßlichen Falschaussage vor Gericht sowie dubiosen Geschäftspraktiken mußten im vergangenen Jahr fünf Führungskräfte von Bord gehen. Dazu gehörten der Vorstandschef Michael Weiss und seine Lebensgefährtin Andrea Braun, die unter haarsträubenden Umständen auf den MDL-Chefsessel gehievt worden war.
Um das öffentlich-rechtlich Institut wieder in ruhiges Fahrwasser zu bringen, wurde daraufhin der frühere Dresdner Sparkassenchef Süß als Krisenmanager engagiert. Mit der Ruhe ist es jetzt vorbei. Die Vorwürfe, die die Staatsanwälte zum Eingreifen veranlaßten, sind gravierend und betreffen die Landespolitik. In Dresden bemüht sich ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß, "Versäumnisse und Fehlentscheidungen der Staatsregierung" bei der Landesbank und assoziierten Unternehmen aufzuarbeiten. Dabei soll auf einen Zeugen des Ausschusses, Ex-MDL-Finanzvorstand Horst W. Meurer, unzulässig Einfluß genommen worden sein - und zwar vom amtierenden MDL-Chef Rainer Born. Sowohl gegen Meurer als auch gegen Born wurde Strafanzeige erstattet. Darin ist von uneidlicher Falschaussage und Beihilfe zur Untreue die Rede. Die Staatsanwaltschaft wollte sich jetzt aus ermittlungstaktischen Gründen nicht äußern. Born lehnte eine Stellungnahme zu den Vorwürfen ab.
Bankeninsider berichten, Meurer soll geldwerte Leistungen angenommen haben, um im Sinne der Landesbank auszusagen. Diese liegt seit Jahren mit MDL-Minderheitsaktionär Ludwig Hausbacher im Clinch. Der bayerische Unternehmer wirft der SachsenLB vor, die MDL ruiniert zu haben, um ihn auf kaltem Wege zu enteignen. Dieses Vorgehen soll von der Staatsregierung gedeckt worden sein. Schadenersatzklagen in dreistelliger Millionenhöhe sind in zweiter Instanz anhängig.
Entsprechend sensibel waren im März 2006 mehrere Auftritte Meurers vor dem Ausschuß. Dabei soll er von Born minutiös instruiert worden sein. Zu dieser Einflußnahme gibt es angeblich schriftliche Vermerke und Überweisungsbelege, die die Falschaussage belegen sollen und dem Vernehmen nach geschreddert werden sollten. Weiter heißt es, die Staatsanwälte habe eine entsprechende "Vernichtungsanweisung" beschlagnahmt.
Sollten sich die Vorwürfe erhärten lassen, würde das nicht zuletzt Ministerpräsident Georg Milbradt und seinen Finanzminister Horst Metz (beide CDU), bei denen Süß gestern zum Rapport antrat, massiv in Bedrängnis bringen. Beide hatten in der Vergangenheit über Machenschaften in der Bank hinweggesehen und die später geschaßten Manager mit fragwürdigen Prüfgutachten öffentlich verteidigt. In mindestens einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage sagte Metz den Landtagsabgeordneten nicht die Wahrheit.
Pikant: Vor dem U-Ausschuß hat der Detektiv Frank von der Weide-Thiemig jüngst ausgesagt, er habe im Auftrag von Ex-MDL-Chefin Braun belastendes Material gegen Kurt Biedenkopf (CDU) sammeln sollen. Sachsens früherer Regierungschef hat seinen Nachfolger Milbradt, der Braun einst als tüchtige Managerin bezeichnet hatte, wegen seines Verhaltens bei dem Landesbankskandal scharf gerügt.
von Uwe Müller
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Chronik einer Skandalbank
20. Februar 2004: - Die WELT berichtet über Mißmanagement und Vetternwirtschaft in der sächsischen Landesbank SachsenLB. Sie hatte unbequeme Mitarbeiter, darunter eine Personalrätin, von einem Abhörspezialisten ausspähen lassen. Ohne Ausschreibung war Andrea Braun, Lebensgefährtin von SachsenLB-Chef Michael Weiss, zur Chefin der Leasing-Tochter MDL berufen worden.
31. Januar 2005: Die Staatsanwaltschaft Leipzig leitet gegen Braun Ermittlungen wegen Insolvenzverschleppung ein.
5. Februar: Medien berichten über Bilanzkosmetik: Die SachsenLB habe faule Immobilienengagements in die Real Immobilien GmbH verschoben.
23. Februar: Urkunden legen die Fälschung der Besitzanzeige für MDL nahe.
24. Februar: Die Staatsanwaltschaft Dresden läßt die Räume der MDL durchsuchen.
25. Februar: Die SachsenLB-Chefs Michael Weiss und Rainer Fuchs treten ab.