Agenturen, ddp-lsc, 16:58 Uhr, 19.05.2006
Präsidium muss nachsitzen - Linksfraktion beantragt Sondersitzung zu Porsch-Beschluss -
Iltgen sieht keinen Handlungsbedarf
Dresden (ddp-lsc). Der Streit um die Abgeordnetenanklage gegen Linksfraktionschef Peter Porsch geht in eine neue Runde. Die Linksfraktion hat am Freitag eine Sondersitzung des Landtagspräsidiums beantragt, damit das Spitzengremium des Parlaments über die Beschwerde des SPD-Abgeordneten
Karl Nolle gegen das Zustandekommen des Landtagsbeschlusses entscheiden kann. Zuvor hatte Parlamentspräsident Erich Iltgen (CDU) klargestellt, dass er trotz des Vorwurfs von Verfahrensfehlern an der Abgeordnetenanklage festhält und sie fristgerecht bis spätestens 2. Juni beim Verfassungsgericht in Leipzig einreichen will.
Iltgen betonte, dass weder er noch das Präsidium «für die Feststellung von Verstößen gegen die Geschäftsordnung oder der Wirksamkeit von Beschlüssen des Landtags zuständig» seien. Dafür fehle jegliche Rechtsgrundlage. Hahn widersprach dieser Behauptung energisch, sie sei «in dieser Pauschalität aus der Luft gegriffen». Das Parlament müsse die Möglichkeit habe, «offenkundige Fehlentscheidungen eigenständig zu korrigieren». Im Übrigen könne Iltgen in diesem Fall schon deshalb nicht allein entscheiden, weil er befangen sei.
Iltgen hatte zusammen mit Vizepräsident Gunther Hatzsch (SPD) am späten Donnerstagabend der vergangenen Woche die Landtagssitzung während der Entscheidung zur Porsch-Abgeordnetenanklage geleitet. Dabei hatten sich im dritten Anlauf in einem von Hatzsch als «Hammelsprung» angekündigten Auszählverfahren 83 Abgeordnete für den Gang vor das sächsische Verfassungsgericht ausgesprochen, während alle 31 Abgeordneten der Linksfraktion.PDS dagegen stimmten und sich 5 enthielten - darunter Nolle.
Selbst wenn es bei der Stimmauszählung zu «Ungenauigkeiten bei der Anwendung der Geschäftsordnung» gekommen sein sollten, würden diese «aus rechtlicher Sicht das Abstimmungsergebnis nicht berühren», betonte hingegen Iltgen. Weder in der Sitzung noch später seien Zweifel daran geäußert worden, dass die für eine Abgeordnetenanklage gegen Porsch erforderliche Mehrheit zu Stande gekommen sei.
Der SPD-Abgeordnete nannte Iltgens Reaktion einen «Ausdruck vordemokratischen Amtsverständnisses». Er hatte in einem Schreiben an das Präsidium sieben Verstöße gegen die Geschäftsordnung ausgemacht und das Gremium zur Feststellung aufgefordert, dass der Beschluss zur Abgeordnetenanklage «nicht rechtsförmig zustande kam und damit nicht wirksam ist». Nolle kündigte nun an, zunächst die Meinungsbildung im Präsidium abzuwarten und im Fall der Ablehnung alle Möglichkeiten rechtlicher Schritte zu prüfen.
Neben Nolle zweifelt auch die Linksfraktion die Rechtmäßigkeit der Abstimmung des Landtags über die Abgeordnetenanklage gegen Porsch an. Porsch wird vorgeworfen, für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR tätig gewesen zu sein. Der 61-Jährige bestreitet dies und hält es allenfalls für möglich, «abgeschöpft» worden zu sein. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Karl-Heinz Gerstenberg, darf unterdessen laut einer Entscheidung des Landgerichts Hamburg seine Stasi-Vorwürfe gegen Porsch nicht mehr erheben. Gerstenberg sagte, er habe «nicht die Absicht zu wiederholen, was längst ausdiskutiert ist».
Von Tino Moritz
(Quellen: Alle in Mitteilungen)
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191658 Mai 06