Sächsische Zeitung, 27.05.2006
Schwitzen in Russland
Sächsisch betrachtet von Annette Binninger
FERN, in den Weiten des russischen Reiches, gibt es ein Völkchen, etwa so zahlreich wie die Sachsen, das unseren Georg Milbradt ganz, ganz lieb hat. Wenigstens eines also. Nur eben das falsche. Baschkortostan heißt die Republik in der Wolgaregion, die Sachsens Ministerpräsident vor wenigen Tagen auf seiner Wirtschaftswerbe-tour durch das russische Riesenreich besuchte. Wie? Baschkortostan, noch nie gehört? Macht nichts. Auch dort, an der Wolga, weiß noch nicht jeder, dass es die DDR nicht mehr gibt. Und so wurde ein völlig überraschter Milbradt auch schon mal versehentlich für einen Vertreter eines längst vergangenen Regimes gehalten: der DDR. Das hatte in der heute autonomen, aber eben noch nicht ganz so demokratisch-rechtsstaatlich geprägten Republik Baschkortostan durchaus einen guten Klang. Die Abkürzung DDR wurde dort grinsend übersetzt mit „Dawai Dawai Rabotai“, was soviel heißt wie „schnell, schnell, arbeite“.
UND die reisefreudigen drei Kabinettsmitglieder – Milbradt, Wirtschaftsminister Thomas Jurk (SPD) und Umweltminister Stanislaw Tillich (CDU) – nahmen sich das auch zu Herzen. Was tut man nicht alles für gute russisch-sächsische Beziehungen. Tillich schwitzte im baschkirischen Dampfbad und ritt aus. Derweil studierte Wirtschaftsminister Thomas Jurk (SPD) auf einer zwölfstündigen Zugfahrt von St. Petersburg nach Nishnij Nowgorod die Langsamkeit des russischen Lebens.
VIELLEICHT half auch das ein wenig, den sächsischen Koalitions(un)frieden auch im fernen Russland zu wahren. So machten sich die beiden Parteichefs Jurk und Milbradt sogar ein paar Sekunden gemeinsam darüber Gedanken, wer wohl zu Hause in Sachsen riskieren könnte, auf dem Tisch der Landespolitik zu tanzen, wenn die Chefs mal aus dem Hause sind. „Ich schätze, Matthias Rößler und
Karl Nolle versuchen, die Macht zu übernehmen“, sinnierte einer der beiden Delegationsführer grinsend über mögliche Aktivitäten des CDU-Ex-Kultusministers und des SPD-Dauerrebellen. Wer auf diese sympathische Idee kam, das wird ausnahmsweise nicht verraten. Die beiden potenziellen „Revolutionäre“ haben ihre Chance klar verpasst. Diesmal jedenfalls.