Sächsische Zeitung, 04.07.2006
Erste Wahl erst nach langem Zögern
Personalie. SPD-Chef Jurk will die Gewerkschafterin Eva-Maria Stange als neue Wissenschaftsministerin.
In die lautstarke Lobeshymne anlässlich der Wahl von Eva-Maria Stange (SPD) zur designierten sächsischen Wissenschaftsministerin stimmte gestern sogar die Opposition ein: PDS und Grüne begrüßten die Entscheidung – zwar mit Abstrichen, aber immerhin.
Umkämpft war die Personalie vor allem in der SPD selbst, wo man mit dem absehbaren Wechsel von Amtsinhaberin Barbara Ludwig auf den Chemnitzer OB-Sessel über die Nachfolge entscheiden musste und sich dabei lange schwer tat.
Schon die Vorgaben – Frau, Parteibuch und möglichst aus Sachsen – schränkten die Auswahl erheblich ein. Nichtsdestotrotz gab es zunächst eine Favoritin. Petra Köpping, die als SPD-Landrätin im Leipziger Land seit fünf Jahren eine kommunalpolitische Erfolgsgeschichte schreibt, sollte nach dem Willen der Parteispitze um Landeschef Thomas Jurk ins Dresdner Kabinett aufsteigen. Dabei spielten vor allem strategische Überlegungen eine Rolle. Köpping könnte nämlich bei der bevorstehenden Kreisreform ihr Amt verlieren. Auch bleibt ungewiss, ob man die eigene Hoffnungsträgerin danach als Regierungspräsidentin etablieren kann. Der Plan hatte nur einen Haken: Köpping, die um ihre speziellen Stärken weiß, winkte für das Amt der Wissenschaftsministerin ab. Außerdem nervte sie, dass sie als Kandidatin in den Medien wochenlang hoch gehandelt wurde, aber die SPD-Spitzen auf Tauchstation gingen. Kein Anruf, nichts.
Ähnlich erging es anderen SPD-Politikerinnen. Simone Raatz ist als hochschulpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion quasi automatisch Anwärterin. Doch auch ihre Nachfrage bei Jurk, der nach wochenlangem Tauziehen seinem Parteipräsidium das alleinige Entscheidungsrecht abgetrotzt hatte, schwieg: Kein Nein, kein Ja. Das Rätselraten ging für alle weiter.
Personaldebatte eskalierte
Für Jurks hilfloses Zögern, das bei vielen Genossen am Ende für Unmut sorgte, gab es aber auch Gründe: Die offene Personalfrage hatte nämlich sofort ein heftiges Tauziehen ausgelöst. Während die SPD-Basis Briefe zu Gunsten von Raatz verschickte, kürte ein Teil der Fraktion Eva-Maria Stange schon zu seiner Favoritin, als Köpping noch gar nicht zurückgezogen hatte. Die internen Gräben wurden schnell tiefer, so dass Jurk nun die Notbremse ziehen musste. Dass er sich dabei für Stange entschied, spiegelt die aktuellen Kräfteverhältnisse in der SPD wider. Dort hat die streitbare Gewerkschafterin mehr Zuspruch als die zurückhaltende Hochschulexpertin Raatz. Doch noch muss Stange warten, da sich der Wechsel von Barbara Ludwig nach Chemnitz durch Wahleinsprüche zu verzögern droht. Eine vielleicht sogar willkommene Atempause. S.1/4
Von Gunnar Saft