Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 19.07.2006

NPD provoziert erneut einmaligen Vorgang

 
Dresden. Nach Reden über den "Bomben-Holocaust" von Dresden oder auch dem Ausschluss eines Abgeordneten von Parlamentssitzungen provoziert die NPD erneut einen bislang einmaligen Vorgang im sächsischen Landtag. Heute soll das Parlament über den Antrag des Untersuchungsausschusses zur Sachsen LB "Ausscheiden der Abgeordneten Uwe Leichsenring und Dr. Johannes Müller, NPD-Fraktion" entscheiden. Was sich da hinter der Drucksache 4/5717 zusammengebraut, hat erneut das Zeug zum handfesten Eklat.

Ausgangspunkt sind die Austritte von drei Abgeordneten aus der Fraktion der rechtsextremen NPD. Mit neun Abgeordneten hat eine Fraktion aber nur Anspruch auf einen Sitz in einem Untersuchungsausschuss. Im konkreten Fall würde der zweite Sitz künftig der CDU zustehen. Von sich aus wollte die NPD jedoch weder Leichsenring noch Müller zurückziehen. Nach ihrer Ansicht muss der Ausschuss bis zum Abschluss seiner Arbeit in der 2005 gewählten Form bestehen bleiben.

Ein solcher Fall ist weder in der Geschäftsordnung des Parlaments noch im Untersuchungsausschussgesetz klar geregelt. Der Ausschuss will nun vom Landtag entscheiden lassen, dass beide NPD-Abgeordnete ihre Sitze zunächst räumen müssen. Er hat dafür ein Gutachten der Landtagsverwaltung im Rücken, dass diesen Weg wohl zumindest als gangbar beschreibt. Wie groß das Dilemma ist, zeigt allein schon der Fakt, dass der Antrag inzwischen von "Abwahl" in "Ausscheiden" umbenannt wurde. Die Abstimmung soll offen erfolgen, Wahlen sind dagegen immer geheim. Bekommt der Antrag heute eine Mehrheit, wäre dies der erste Fall in der jüngeren Landesgeschichte, in dem Oppositionsvertreter eines für die Kontrolle der Regierung bestimmten Ausschusses durch eine vor allem von den Regierungsparteien getragene Mehrheit von der Untersuchung ausgeschlossen werden - möglicherweise ist dies sogar bundesweit einmalig.

"Es musste ein Verfahren gefunden werden, damit die Ausschussbesetzung wieder den Stärkeverhältnissen im Parlament entspricht", erklärte CDU-Fraktionssprecher Martin Kuhrau gestern. Eine Verständigung mit der NPD sei mehrfach gescheitert. Daraufhin hätten die Landtagsjuristen eine "klare Regelung" gefunden. Weil die bisherige Ausschussbesetzung nicht den Stärkeverhältnissen entspreche, sei sie nach Kuhraus Worten auch "nicht tolerabel" gewesen. Zweifel am Prozedere bleiben jedoch.

Darf ein Untersuchungsausschuss, wie hier geplant, im Landtag überhaupt einen Antrag stellen? Klar geregelt ist das nur für den Petitionsausschuss. Der Ausschuss beruft sich auf den Paragrafen 5 im Untersuchungsausschussgesetz. Dieser regelt die Abwahl von Ausschussmitgliedern, die "persönlich und unmittelbar an den zu untersuchenden Sachverhalten beteiligt", also befangen sind. Dieser Paragraf legt aber auch fest: Wenn ein Ausschussmitglied ausscheidet, dann rückt ein Stellvertreter an seine Stelle. So lässt sich keiner Fraktion ein Sitz abtrotzen.

Für den Fall der "Abwahl" hat die NPD gestern auf Anfrage bereits eine Klage beim Verfassungsgericht angedroht. Hinter den Kulissen wird befürchtet, dass Müller und Leichsenring bei der nächsten Ausschussitzung vor der Tür stehen und mit einer Einstweiligen Verfügung in der Hand Einlass begehren.

Doch damit nicht genug. Nach dem Ausscheiden von Müller und Leichsenring wird die CDUfür einen Sitz einen Kandidaten nominieren. Der andere Sitz steht der NPD zu, sie will laut einem Sprecher auch wieder einen Kandidaten aufstellen. Am Donnerstag soll die dann geheime Abstimmung erfolgen. Kommt die Wahl des NPD-Vertreters (dafür würden die Stimmen der Rechtsextremen reichen, wenn sich alle anderen enthalten) nicht zustande, dürfte über die Arbeitsfähigkeit des Ausschusses gestritten werden und die nächste Klage der NPD ins Haus stehen. Erhält der Kandidat der NPD mehr Stimmen als die Fraktion Mitglieder hat, blamiert sich wieder das gesamte Parlament.

Zusätzlich verworren wird die Gemengelage dadurch, dass die Koalition von dem zusätzlichen Sitz politisch profitieren könnte. Mit dann 12 Mitgliedern ist sie nicht mehr auf die Stimme des widerspenstigen SPD-Mannes Karl Nolle angewiesen, um den Abschlussbericht des Ausschusses durchzusetzen.

Bei den Oppositionsparteien indes ist eine "Beißhemmung" zu diagnostizieren. Niemand mag als Kämpfer für die NPD erscheinen. Selbst der parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, André Hahn, äußert sich nur sehr zurückhaltend. Der Anspruch der CDU auf den zusätzlichen Sitz sei durchaus nachvollziehbar. Doch bislang gebe es eben keine klare Rechtsgrundlage dafür. "Mich interessiert die NPD nicht, aber das Fehlen einer Abwahl-Regelung ist auch eine Schutzfunktion für Ausschussmitglieder". Er könne sich nicht den Einsatz für Minderheitenrechte verkneifen, nur weil davon auch die NPD profitiert.
Ingolf Pleil

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: