Freie Presse Chemnitz, 18.08.2006
Gerichtliches Nachspiel für angebliche Spendenaffäre
Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Ex-Wirtschaftsminister Kajo Schommer
Dresden/Zwickau. Die angebliche Spendenaffäre um die mittlerweile insolvente Sachsenring Automobiltechnik AG in Zwickau wird voraussichtlich ein gerichtliches Nachspiel haben. Gestern klagte die Staatsanwaltschaft Dresden den früheren sächsischen Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) wegen des Verdachts der Bestechung, Untreue und Falschaussage an.
Die Vorwürfe gehen offenbar vor allem auf eine eidesstattliche Versicherung zurück, die der frühere Sachsenring-Chef Ulf Rittinghaus im November 2002 veröffentlichte. Danach soll Schommer im Oktober 1998 bei der Eröffnung einer Oldtimerausstellung in Zwickau Rittinghaus zu einer Millionenspende für den Landtagswahlkampf 1999 auf gefordert haben. Im Gegenzug wolle der Freistaat eine staatliche Beihilfe für Sachsenring um vier Millionen Mark' auf 29 Millionen Mark aufstocken. Tatsächlich wurde Anfang 1999 eine Imagekampagne „Sachsen für Sachsen" gestartet, die zu einem beträchtlichem Teil von Sachsenring finanziert wurde. Die Kampagne galt als CDU-freundlich. Die Opposition warf der Landesregierung deshalb eine unrechtmäßige Wahlkampfhilfe vor. Schommer bestritt die Vorwürfe damals vehement. Ein Untersuchungsausschuss des Landtages fand damals auch keine stichhaltigen Beweise. Schommer und Rittinghaus führten einen langen gerichtlichen Streit, der mit einem Vergleich endete.
Ex-Minister Schommer zeigte sich gestern verwundert, dass dem Landgericht Dresden eine Anklageschrift vorgelegt wurde. Schließlich würde sich die Staatsanwaltschaft mit den Vorwürfen von Rittinghaus gegen ihn bereits seit vier Jahren beschäftigen. „Angesichts dessen ist es gut so, dass nun endlich ein ordentliches Gericht diese unhaltbaren Vorwürfe zur Prüfung auf den Tisch bekommt", teilte Schommer mit. Die Anklage sei ein abenteuerliches Konglomerat aus substanzlosen Mutmaßungen und nicht nachvollziehbaren Spekulationen, meinte der Ex-Minister, der heute als Unternehmensberater tätig ist.
Einige Landespolitiker begrüßten die Anklageerhebung ebenfalls, wenn auch aus anderen Motiven. Die Anklage sei der Beginn der juristischen Aufarbeitung einer Vielzahl von Korruptionsvorwürfen, meinte der SPD-Politiker
Karl Nolle. „Mit der Erhebung der Anklage wird klargestellt, dass in Sachsen auch ehemalige Mitglieder der Landesregierung vor dem Gesetz gleich sind", sagte Johannes Lichdi, rechtspolitischer Sprecher der Grünen Fraktion im sächsischen Landtag.
Bedeutsam für den Fall könnte auch ein möglicher Zusammenhang mit der Pleite von Sachsenring sein. Das börsennotierte Unternehmen stellte am 27. Mai 2002 den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Seitdem ermittelte die Staatsanwaltschaft Chemnitz gegen die Brüder Ulf und Ernst-Wilhelm Rittinghaus. Inzwischen stehen sie unter Anklage wegen Insolvenz Verschleppung, Untreue und Bilanzfälschung. Das Landgericht Chemnitz wird allerdings nicht vor Herbst dieses Jahres über die Aufnahme einer Hauptverhandlung entscheiden.
Von Christoph Ulrich