Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 25.08.2006

Roßberg fälscht Terminplan

Prozess. Gestern sagten die letzten acht Zeugen aus. Pikant: Der OB hat Sehms Arbeitsnachweise selbst manipuliert.
 
Erst die Letzte von acht Zeugen brachte die Überraschung des Tages: Die Nachweise, mit denen Ex-Flutkoordinator Rainer Sehm seine Stunden abrechnete, wurden von Ingolf Roßberg (FDP) persönlich gefälscht.

Simone Heine sagt gar nichts

Wie Jeannine Renner, die im Flutbüro als Sekretärin arbeitete, berichtete, habe sie Sehms Termine aus dessen Taschencomputer auf Papier übertragen. Die Formulare seien an Roßberg zur Kontrolle gegangen. „Sie kamen verändert zurück“, so die Sekretärin. Auf Nachfrage von Staatsanwalt Till Pietzcker sagte sie, dass Roßberg alle Termine Sehms, die nichts mit der Hochwasserschadensbeseitigung zu tun hatten, dabei herausgestrichen habe. Bezahlt werden sollte Sehm nur für die Flutkoordination – mit Steuergeld.

Dass Sehm auch viele andere Dinge erledigte, bestätigte Jeannine Renner. Der Flutkoordinator war unter anderem damit befasst, Termine für die Doktorarbeit Roßbergs zu koordinieren, sich mit dem Operetten-Neubau zu beschäftigen, Bürgschaften für Dynamo zu beschaffen. Nicht bestätigen konnte sie, dass Sehms Bekannte Simone Hamann-Heine eine Million Euro Provision dafür bekommen haben soll, einen Investor für den Erlweinspeicher zu finden.

Simone Hamann-Heine erschien selbst, machte aber von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, weil Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen sie laufen. „Bankrott zugunsten Sehms“ lautet der Vorwurf gegen sie laut dem Vorsitzenden Richter Hans Schlüter-Staats. Roßberg-Anwalt Peter Manthey unterstützte die Zeugin so intensiv bei ihrer Verweigerung, dass sich Roßberg auf dem Gerichtsflur genötigt sah, klarzustellen, er habe Manthey nicht angewiesen, dies zu tun.

Ordnungsbürgermeister Detlef Sittel (CDU) bestätigte, wie schwierig es gewesen sei, Sehm bei gleichzeitigem Personalabbau in der Verwaltung als externen Berater einzustellen. Die Arbeitsverträge mit der Actor Consulting habe er nicht gekannt, die problematische Konstruktion nach der Rathaus-Durchsuchung der Presse entnommen.

Sittel sagte weiter aus, er habe nach Beginn der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen Roßberg schriftlich darauf hingewiesen, dass allen Mitarbeitern das Rechtsamt beratend zur Verfügung stehe. Er habe zudem klar gemacht, dass keine Beziehungen zwischen den Rechtsbeiständen Roßbergs und einem eventuellen Zeugenbeistand für die Mitarbeiter bestehen dürften. Die Zeugen Rico Rissmann und Sven Mania hatten kürzlich ausgesagt, dass ihre zwangsweise verordneten Rechtsbeistände von Rechtsanwalt Stefan Heinemann bestellt wurden. Er vertrat damals den OB.

Die Mitarbeiterin des städtischen Rechtsamtes Luzia Wecker wurde zu ihren Bedenken gegen die Sehm-Verträge befragt, die vorwiegend arbeitsrechtlicher Natur gewesen seien. Sie hatte den Generalübernehmervertrag mit der GVZ Nord Plant aus vergaberechtlichen Gründen abgelehnt, und damit Sehm auf den Plan gerufen. „Er hat mich aufgefordert, meine Bedenken nicht in meine Stellungnahme einzuarbeiten – was sonst üblich ist“, so Luzia Wecker. Sie habe daraufhin einen Vermerk an den Chef des Rechtsamtes Martin Weber geschickt, den später die Staatsanwälte fanden.

Roßbergs ehemalige Referentin, SPD-Stadträtin Sabine Friedel, konnte sich nicht mehr so detailliert erinnern wie bei ihrer Aussage vor der Staatsanwaltschaft im Februar 2005. Dennoch blieb bei ihr als Eindruck haften, dass Sehm den Verwaltungsgang missachtete, und neben den Interessen des OBs eigene verfolgte. Zwischen ihr und Sehm habe ein Konkurrenzverhältnis geherrscht, weil der Flutkoordinator viele Aufgaben an sich gezogen habe, die in ihrem Bereich angesiedelt waren. Verunsichert seien auch andere Mitarbeiter gewesen: „Es war nie klar, ob Sehm allein die Anweisungen vom OB transportiert oder ob es seine eigenen waren.“

Wer wohnt bei wem?

Sportbürgermeister Winfried Lehmann (CDU) und Stadtsprecher Kai Schulz wurden über ihr Wissen rund um die Sehm-Verträge befragt. Beide waren mit deren Gestaltung jedoch nicht betraut. Viel spekuliert wurde im Laufe der letzten Jahre über das Verhältnis Sehms zu Simone Hamann-Heine. Das Gericht hatte deshalb Rentner Günther Einer aus der Wilsdruffer Straße eingeladen, der berichten konnte, es stünden noch heute an Sehms Tür und Briefkasten beide Namen: Heine und Sehm.
Von Petra-Alexandra Buhl

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