Karl Nolle, MdL

Agenturen dpa, 17:47 Uhr, 04.09.2006

14 Monate Bewährungsstrafe wegen Untreue für Dresdens OB - Revision

 
Dresden (dpa/sn) - Dresdens Oberbürgermeister Ingolf Roßberg (FDP) ist am Montag vom Landgericht Dresden zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Die Richter sahen die Tatbestände der Untreue und der Beihilfe zum Bankrott als erfüllt an. Dadurch sei der Stadt im Kern ein Schaden von 75 000 Euro entstanden. Mit dem Urteil blieb die Strafkammer unter den von der Staatsanwaltschaft geforderten anderthalb Jahren. Die Verteidigung kündigte Revision an. Roßberg hatte die Vorwürfe bis zuletzt bestritten.

Sein mitangeklagter früherer Vertrauter Rainer Sehm bekam wegen Bestechlichkeit und vorsätzlichem Bankrott zwei Jahre auf Bewährung. Er muss 100 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten und Vermögenswerte offen legen. Roßberg stand im Zusammenhang mit Sehms Privatinsolvenz seit 4. Juni vor Gericht. Der OB habe sich nicht selbst bereichert, sondern geriet für seinen Männerfreund mit dem Gesetz in Konflikt. Er habe «die Hand zum Bankrott gereicht», sagte Richter Hans Schlüter- Staats in der Urteilsbegründung.

«Es war ein Fehler, Sehm umfassend zu vertrauen», räumte der 45- jährige Kommunalpolitiker ein. «Aber es war im Sinne der Stadt, ihn zu nutzen», verteidigte Roßberg sein Handeln. Er hatte dem umstrittenen Berater nach dem Hochwasser 2002 die Verteilung der Fluthilfe-Gelder in der Stadt anvertraut. Nach Überzeugung der Richter erhöhte er Sehms monatliches Honorar rechtswidrig und gegen alle Warnungen der übergeordneten Behörden auf etwa das Dreifache. «Das war nicht zwingend und haushaltsrechtlich nicht zulässig.»

Roßberg habe «nicht den Hauch von Einsicht gezeigt und die Fehler immer bei anderen gesucht», sagte Schlüter-Staats. Der teilweise geständige Sehm hatte versucht, Gelder an den Gläubigern vorbei in die eigene Tasche zu wirtschaften. Er habe nicht damit gerechnet, dass Sehm seine Überzeugungsgabe gegen ihn einsetze, sagte Roßberg. «Er hat den Fehler gemacht, den viele Politiker machen: Sie glauben, was ihnen nützt, nützt dem Amt», sagte Schlüter-Staats. Roßberg und Sehm seien eine Symbiose eingegangen. «Sehm war Ihr zweites Ego in der Stadtverwaltung», sagte er zu Roßberg, der dessen Rolle immer klein geredet habe.

Der Dresdner ist nicht der erste deutsche Oberbürgermeister, der wegen Untreue vor Gericht stand. Auch Amtsträger von Saarbrücken und München wurden schon verurteilt. Der 5. Senat des Bundesgerichtshofs in Leipzig ist noch mit dem Fall des Wuppertaler OB Hans Kremendahl (SPD) beschäftigt. Vor den Bundesrichtern sieht Roßberg noch eine Chance, das Blatt zu wenden. Für den 45-Jährigen, der seit Mai bei vollen Bezügen vom Amt suspendiert ist, steht alles auf dem Spiel: OB-Sessel, politische Karriere, gesellschaftliche Reputation.

Für den Prozess hatte der FDP-Politiker eigentlich den Unschuldsbeweis angekündigt. Sehm sei «nur eine unerhebliche Facette meines Handelns» gewesen, spielte er am Ende den Einfluss des Mannes, den Insider «Schatten-OB» nannten, herunter. Dieser hatte Roßberg nach der Niederlage bei der OB-Wahl 1994 als Bürgermeister nach Radebeul bei Dresden geholt.

Das Regierungspräsidium hat ein förmliches Disziplinarverfahren bis zu einem rechtskräftigen Urteil ausgesetzt. Auch seine Bezüge erhalte Roßberg bis dahin, sagte der Sprecher der Behörde, Holm Felber. Ins Amt zurück könnte er nur bei Freispruch oder einer Bewährungsstrafe von weniger als einem Jahr. Bleibt es nach der Revision bei dem verhängten Strafmaß, muss er nach dem sächsischen Beamtengesetz seinen Stuhl endgültig räumen.

Dann würde Roßberg auch die während seiner Zeit als OB erworbenen Pensionsansprüche verlieren. Bis zur endgültigen Entscheidung des Bundesgerichtshofs bleibt der OB bei fortlaufenden Bezügen suspendiert. Roßberg, dessen Arbeit und Persönlichkeit im Rathaus und der Öffentlichkeit zwiespältig beurteilt wird, will kämpfen.

«Selbstgefällig, skrupellos und uneinsichtig» nannte Staatsanwalt Till Pietzcker den dreifachen Vater. Der Zigarillo-Raucher hatte vor Gericht klare Antworten meist verweigert, beschwerte sich aber über Vorverurteilung und ungerechte Behandlung. Kopfschüttelnd und erschüttert verfolgte er die Urteilsbegründung. Eine Erklärung aber, warum er für den Lebemann Sehm seine politische Karriere aufs Spiel setzte, blieb er auch nach 20 Tagen Verhandlung schuldig.
Von Ralf Hübner und Simona Block, dpa

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041747 Sep 06

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