Sächsische Zeitung, 05.09.2006
„Es ist Zeit zu gehen“
Prozess. Nach dem Urteil gegen den suspendierten Oberbürgermeister Ingolf Roßberg (FDP) fordert die Stadtratsmehrheit dessen Rücktritt.
Noch während das Dresdner Landgericht dem suspendierten Rathauschef das Urteil erläuterte, reagierten die ersten Fraktionen. „Das Urteil und das gesamte Verfahren zeigen, dass Ingolf Roßberg als Oberbürgermeister für die Landeshauptstadt nicht mehr tragbar ist“, betonte Grünen-Fraktionssprecher Jens Hoffsommer.
Etwas knackiger in der Wortwahl agierte CDU-Sprecher Helfried Reuther: „Herr Roßberg, es ist Zeit zu gehen.“ SPD-Fraktionschef Peter Lames betonte: „Es bleibt für den OB nur ein Ausweg – der Rücktritt.“ Und auch der Vorsitzende der Bürgerfraktion, Christoph Hille, betonte: „Es wäre nicht verkehrt, wenn Roßberg von sich aus zurückträte.“
Ein Jahr und zwei Monate auf Bewährung für den FDP-Politiker wegen Untreue und Beihilfe zum Bankrott – angesichts dieses deutlichen, wenn auch noch nicht rechtskräftigen Urteils forderte die Stadtratsmehrheit Roßbergs Rücktritt. Und selbst Roßbergs Partei äußerte sich wenig zurückhaltend. Das Urteil sei „bedauerlich für die Stadt Dresden und deren Außenwirkung“, erklärte der Kreischef der Liberalen, Dietmar Fischer. Das ist deutlich, auch wenn Fischer der Form halber ergänzte, dass es erst bewertet werden könne, wenn es rechtskräftig sei.
Gerüchte um Vogel
Die große Unbekannte ist derzeit die Linksfraktion. Deren Sprecher André Schollbach bezeichnete die Strafe zwar als „hartes Urteil“. Allerdings wolle die Fraktion „keinen unüberlegten Schnellschuss landen, sondern mit Bedacht und Sorgfalt entscheiden“.
Niemand ging im Stadtrat gestern allerdings ernsthaft davon aus, dass Roßberg von sich aus sein Amt aufgeben wird. „Das wäre ein Schuldeingeständnis“, hieß es übereinstimmend aus den Fraktionen. Dazu kommt: Bei einem Rücktritt verlöre Roßberg auch sein Gehalt. Im Prozess hatte er mehrfach auf die finanziellen Folgen einer hohen Strafe für seine Familie aufmerksam gemacht.
Die Stadt kommentierte das Urteil nicht. Nach unbestätigten Angaben hat allerdings der amtierende Oberbürgermeister Lutz Vogel (parteilos) intern bereits deutlich gemacht, dass er nicht bis zum nächsten regulären Wahltermin im Jahr 2008 Roßbergs Job machen will. Ihn soll es mittelfristig angeblich nach Hellerau – als Nachfolger des Intendanten des Europäischen Zentrums der Künste, Udo Zimmermann.
Von Thilo Alexe