Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 07.09.2006

„Eine andere Persönlichkeit“

Sachsen. Der Chef der CDU-Landtagsfraktion, Fritz Hähle, sieht Ursachen für die mageren Umfragewerte auch in Schwächen von Regierungschef Milbradt.
 
Hat sich die CDU inzwischen angefreundet mit einer künftigen SPD-Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange?

Dass uns das nicht sehr entgegenkommt, ist ja bekannt. Aber der Koalitionsvertrag ist nun mal so, wie er eben ist. Demnach steht der SPD das Besetzungsrecht für diesen Kabinettsposten zu. Wir werden Frau Stange an ihren Taten und Erfolgen messen.

Sie haben damit eine ausgewiesene Schulexpertin am Kabinettstisch. Stört es Sie, wenn sich Frau Stange zu Schulthemen äußert?

Auch Frau Stange wird sich daran gewöhnen müssen, dass es eine Kabinettsdisziplin gibt und dass man nicht in die Ressorts anderer Minister hineinregieren sollte. Sonst müsste sie es auch aushalten, dass Kultusminister Flath sich zur Hochschulpolitik zu Wort meldet.

Etwa zum Thema Studiengebühren?

Es ist völlig klar, dass wir die Einführung von Studiengebühren in dieser Legislaturperiode nicht durchsetzen können. Koalitionsvertrag ist Koalitionsvertrag. Es hat keinen Zweck, immer wieder gegen Betonwände zu rennen. Der Wähler muss 2009 entscheiden, ob er weiter von einer Koalition regiert werden oder ob er nicht lieber wieder für mehr Klarheit sorgen will.

Es ist klar herauszuhören, dass Sie lieber ohne die SPD Politik machen würden.

Wir sind in vielen Punkten gemeinsam ganz gut vorangekommen. Die Erfolge überwiegen, denn wir konnten ja auf einer erfolgreichen CDU-Politik aufbauen. Und davon profitiert die SPD jetzt mit. Andererseits haben wir zum Beispiel keine Neuregelung für Privatschulen erreicht. Und jetzt klemmt's auch noch bei der Neuordnung der gymnasialen Oberstufe. All das ist natürlich hinderlich. Vieles dauert viel zu lange.

Wie attraktiv ist derzeit die FDP als möglicher Koalitionspartner?

Die FDP macht in Sachsen eine Politik der Beliebigkeit. Sie versteht sich als eine fröhliche Opposition, aber sehr viele konstruktive Elemente sind bei ihr nicht zu finden. Im Moment sehe ich da keine Möglichkeit für eine Zusammenarbeit. Außerdem: Wenn's mal hart auf hart kommt, möchte ich mich nicht auf eine Mehrheit von womöglich einer Stimme mit dieser FDP einlassen. Wir werden den Vertrag mit der SPD bis zum Ende der Legislaturperiode halten.

Sicher würde die CDU wieder gern allein regieren. Aber davon scheint sie doch weit entfernt.

Unser schlechtes Abschneiden 2004 mit einem Minus von fast 16 Prozent war hauptsächlich durch die Protestwelle gegen Hartz-IV entstanden. Jetzt müssen wir uns eben Schritt für Schritt die alten Prozentpunkte wieder erarbeiten. Und das tun wir mit unserem Koalitionspartner zusammen. Die Erfolge, die wir erzielen, kommen beiden in Umfragen zugute. Auch die SPD hat ja wieder leicht zugelegt.

Die Hartz-IV-Frage ist doch längst geklärt, der Ärger verraucht. Nach Ihrer Theorie müsste die CDU doch längst wieder an alte Spitzenwerte von über 50 Prozent anknüpfen können.

Wir sind ja noch drei Jahre weg von der nächsten Landtagswahl. Wenn wir uns so weiter nach oben arbeiten, dann stehen die Chancen gut. Und man kann ja durchaus auch mit 45 oder 46 Prozentpunkten eine Mehrheit der Mandate erzielen. Wir sind allerdings Besseres gewöhnt, das gebe ich zu.

Mit welchen Themen wollen Sie denn solche Werte erreichen?

Es sind nicht die großen Themen, sondern die vielen kleinen Schritte, die uns voranbringen. Dazu gehört auch die Erkenntnis der Bevölkerung, dass es uns in Sachsen gemessen an den anderen neuen Ländern immer noch am besten geht. In mancher Beziehung gilt dies sogar für manche westliche Länder, die wir etwa in der Schulpolitik überholt haben. Das muss den Menschen doch auffallen.

Aber warum gelingt es Ihnen nicht, diese Erfolge den Bürgern nicht besser zu vermitteln?

Das liegt auch an einer gewissen Prägung aus DDR-Zeiten. Man hat damals immer alles vom Staat erwartet und dementsprechend auch für alles Negative dem Staat die Schuld gegeben. Ich glaube, viele sind noch nicht so richtig daran gewöhnt, dass man in einer freiheitlichen Gesellschaft die Dinge auch selber in die Hand nehmen kann. Vielleicht ist es sogar falsch, wenn wir sagen: Schaut mal her, was wir alles für euch gemacht haben. Denn damit fördern wir doch nur das alte Denken und bürden uns dann eben auch das Negative auf. Wir müssen die Sachsen wieder mehr an ihrem Stolz packen. Das hat Kurt Biedenkopf als Ministerpräsident ganz toll geschafft, die Menschen bei ihrem Stolz zu packen. Darauf kommt es an.

Sie sagen, Biedenkopf habe das hervorragend verstanden und umgesetzt. Heißt das, sein Nachfolger kann das nicht so gut?

Georg Milbradt ist eine andere Persönlichkeit. Er packt die Dinge kraftvoll an und weiß, wie die Wirtschaftspolitik und die Finanzpolitik zu machen sind. Das ist auch etwas wert. Es ist ja nicht so, dass die Regierung keinen Anteil am Erfolg des Landes hätte. Und Milbradt ist unbestritten jemand, der von Anfang an – schon als Finanzminister – einen großen Anteil an diesem Erfolg hat. Aber die persönliche Ausstrahlung ist eben immer die zweite Seite der Medaille. Man kann einen Menschen nicht einfach umkrempeln. Die Vorzüge dieses Ministerpräsidenten sprechen auch für sich. Das zeigen ja seine positiven persönlichen Umfragewerte.

Sie vermissen aber dennoch eine stärkere emotionale Seite bei Herrn Milbradt?

Ja gut, das kann man nicht leugnen.

Können Sie sich vorstellen, dass Milbradt auch der nächste Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2009 sein wird?

Wenn er es sein will, wird er es wohl sein.

Und wie ist es mit Ihnen? Wollen Sie 2009 erneut für den Landtag kandidieren oder vielleicht Landtagspräsident werden?

Dann wohl eher Alterspräsident. Ich werde am Ende dieser Legislaturperiode 67 Jahre alt. Da muss man sich schon überlegen, ob man noch mal fünf Jahre drauflegt oder für sich beschließt, noch ein bisschen zu leben.

Das Gespräch führten Annette Binninger und Dieter Schütz

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: