Sächsische Zeitung, 19.09.2006
NPD-Wähler sind jung, männlich und ungebildet
Das gute Abschneiden der Rechtsextremisten ist kein kurzfristiges Phänomen, sagt Frank Decker.
Wer hat in Mecklenburg-Vorpommern NPD gewählt?
In der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen ist die NPD mit 17 Prozent der Wählerstimmen am erfolgreichsten gewesen. In Sachsen waren es 2004 in dieser Altersgruppe sogar 24 Prozent. Die NPD ist zudem überwiegend eine Männer- und Unterschichtenpartei. Sie wird gewählt von Arbeitern und besonders von Arbeitslosen, die weder von der Sozialdemokratie noch von der Linkspartei erreicht werden.
Was erwarten die NPD-Wähler von den Rechtsextremisten?
Ich denke, dass sich die Wähler über die Politikfähigkeit der NPD überhaupt keine Illusionen machen. Sie wählen sie, um den etablierten Parteien den größtmöglichen Denkzettel zu erteilen. Es stört sie auch nicht, dass die NPD unter den rechtsextremen Parteien die unsäglichste ist. Wenn die NPD nicht kandidiert hätte, wären diese Wähler wahrscheinlich zu Hause geblieben. Insofern hat diese Partei sogar zu einer Mobilisierung der Wählerschaft beigetragen.
In Ihren Augen sind die NPD-Wähler also Protestwähler?
Man darf diese These nicht überstrapazieren. Denn in dem Begriff schwingt die These mit, dass diese Wähler zurückkehren, wenn sich die Protestgründe erledigt haben. Da wäre ich sehr vorsichtig. Viele soziale Probleme lassen sich speziell in Ostdeutschland nicht von heute auf morgen beseitigen. Aber wo ein sozialer Nährboden ist, muss dieser auch beackert werden. Das ist der NPD gut gelungen, auch dank ihrer kommunalen Verankerung. Das geschieht im Rahmen einer Strategie, die längerfristig angelegt ist. Die etablierten Parteien haben das viel zu spät erkannt. Ein Teil der Wähler hat im Übrigen nicht nur aus Protest für die NPD gestimmt, sondern auch seine latent rechtsextremistische Gesinnung zum Ausdruck gebracht.
Wie sollten die Parteien und andere gesellschaftliche Institutionen reagieren?
Wir sollten uns darauf einstellen, dass wir in Ostdeutschland und zum Teil auch im Westen auf längere Sicht mit diesem Problem zu tun haben werden. Die Parteien sollten sich der NPD in den Parlamenten politisch stellen, aber sie nicht ausgrenzen. Verbotsdiskussionen halte ich für absolut töricht. Es war ein unverzeihlicher Fehler, dass man kurz vor der Landtagswahl wieder eine Verbotsdebatte begonnen hat; das nützt im Zweifel nur den Rechtsextremen. Viel wichtiger ist die Bekämpfung im gesellschaftlichen Raum. Notwendig sind eine Verstärkung der Jugendarbeit, der Aufbau von Vereinen und kontinuierliche Aufklärung in den Schulen. Es ist daher ein falsches Signal, die Mittel für die Programme gegen Rechtsextremismus zu kürzen.
Welche Rolle spielt die sächsische NPD für das Wahlergebnis?
Der Erfolg der NPD in Sachsen hat eine Katalysatorwirkung auch für andere ostdeutsche Bundesländer gehabt. Dies spiegelt sich zum Teil in der Wahlkampfunterstützung wider, die die Partei – auch dank der Mittel aus der staatlichen Parteienfinanzierung – leisten kann. Für besonders bedenklich halte ich, dass die NPD gezielt versucht, mithilfe ihrer Vorfeldorganisationen in gesellschaftliche Strukturen einzudringen. Damit bereitet sie das Terrain für ihre Wahlkämpfe. Mit dieser Strategie dürfte sie demnächst auch in Thüringen auftreten.
Das Gespräch führte Karin Schlottmann