DNN/LVZ, Seite 1, 24.10.2006
Notoperation
Leitartikel von Jürgen Kochinke
Das Tauziehen um die Landesbank Sachsen ist eine Polit Burleske von einigem Unterhaltungswert. Versammelt ist hier alles, was Affären die Würze verleiht: Pikante Details um Liebesverhältnisse und Manager Limousinen, garniert mit Gerichtsprozessen, Dokumentenfälschung und dem Gerangel um viele Millionen. Und weil hinter all dem der alte CDU-interne Zwist zwischen Ex-Regierungschef Biedenkopf und seinem ungeliebten Nachfolger Milbradt schwelt, werden dem Publikum seit Jahren immer neue Einblicke in die Untiefen sächsischer Landespolitik präsentiert - gerissen, beinhart und bitterböse.
Seit gestern nun ist der Endlosstreit - zumindest an einer Ecke entschärft. Die knapp 15 Millionen Euro teure Einigung mit dem bayerischen Unternehmer Hausbacher hat einen wichtigen Effekt: Sie bringt Milbradt und seinen Adlatus Metz etwas aus der Schusslinie, sorgt für Luft in den Auseinandersetzungen, die da kommen. Dennoch ist das Ergebnis alles andere als ein Ruhmesblatt. Unter der Hand belegt der Vergleich vor allem eines: Viel zu lange hat sich der Regierungschef von Hausbacher, Biko und Co. treiben lassen, viel zu spät haben er und Metz reagiert - und damit die Misere erst ermöglicht. Schlechtes Krisenmanagement ist noch eine zarte Umschreibung dafür.
Erklärungsbedürftig ist darüber hinaus der Zeitpunkt der Einigung. Diese trägt alle Zeichen einer Notoperation, mit der Milbradt vor dem langen Schatten seines Vorgängers Biedenkopf gerettet werden sollte. Grund ist der Untersuchungsausschuss des Landtags. In wenigen Wochen tritt Biko erneut vor dem Gremium auf, und nicht wenige in der Staatskanzlei befürchten Übles: dass „König Kurt" ein weiteres Mal zur Attacke ausholen und seinen Nachfolger noch tiefer in den Sachsen LB-Strudel ziehen könnte.
Das ist mit der Einigung jetzt zwar unwahrscheinlicher geworden. Dennoch kratzt die Affäre bereits heftig am Image des Regierungschefs. Denn hier hat Milbradt, der knallharte Kämmerer, auf seinem ureigensten Feld Schwäche gezeigt und unglücklich agiert - mindestens. Das aber ist Wasser auf die Mühlen jener in der CDU, die beständig an seinem Stuhl sägen. Seit Jahren werfen sie ihrem Chef mangelnde Bindungskraft vor, und neuerdings auch Zögerlichkeit in der Koalition mit der SPD.
Das macht den Vergleich von gestern zu einem weiteren Akt im Polit-Drama der Sachsen-Union. Die Einigung mit Hausbacher kann für Entlastung sorgen, ein Befreiungsschlag aber ist sie nicht. Um diesen dürfte Milbradt mittelfristig allerdings kaum herum kommen. Und das heißt: Um seine parteiinternen Kritiker und Neider zu befried(ig)en, muss er das Kabinett personell erneuern, und das möglichst bald.
Zögert er auch hier, das steht bereits heute weitgehend fest, dürfte ihm auch ein Burgfrieden mit Biedenkopf im Landesbank-Drama nur wenig nutzen.