DNN/LVZ, 25.11.2006
Nach Razzia wirft NPD-Politiker hin
Dresden. Der gestrige Freitag könnte in die Annalen der sächsischen NPD als ein rabenschwarzer eingehen. Nach den heftigen Querelen jeden Kalibers in den vergangenen Wochen platzte am Morgen eine Bombe, die so gar nicht mehr dem inszenierten Saubermann-Image entspricht. Gegen den Meißner Landtagsabgeordneten Matthias Paul läuft ein Ermittlungsverfahren wegen des Besitzes von Kinderpornografie.
Gegen 9 Uhr waren vier Beamte des Landeskriminalamtes und eine Staatsanwältin vor dem Dresdner Landtag vorgefahren, um Pauls dortiges Abgeordnetenbüro und die Festplatten seiner Computer zu durchforsten. Parallel dazu lief die Razzia auch im Wahlkreisbüro und in der Privatwohnung. Hauptvorwurf ist der Besitz von Kinderporno-Videodateien auf den Rechnern Pauls. Neben den Computern wurden Videos und Bücher sichergestellt. "Das muss nun in Ruhe angeschaut und ausgewertet werden", sagte Oberstaatsanwalt Jürgen Schär, Leiter der Dresdner Staatsschutzabteilung. Für die Durchsuchung lag ein Beschluss des Dresdner Amtsgerichtes vor.
Die Immunität des Abgeordneten war zuvor nicht aufgehoben worden, da der Landtag schon kurz nach der Wahl eine generelle Genehmigung zur Strafverfolgung und zu Durchsuchungen beschlossen hat. Der Beschuldigte selbst nannte die Vorwürfe auf Anfrage "absurd und absolut rufschädigend". Er könne sich die Durchsuchungsaktion nicht erklären. Am Abend legte Paul dann überraschend sein Mandat nieder und trat von allen Parteiämtern zurück. In einer Erklärung hieß es, er habe gegenüber Fraktion und Partei erklärt, "warum ich mich für unschuldig halte". "Um Schaden von der Partei abzuwenden" verzichte er auf Mandat und Ämter. Paul kündigte eine persönliche Erklärung für die nächsten Tage an und will sich "mit allen juristischen Mitteln gegen den Vorwurf des Besitzes und Verbreitens von Kinderpornographie zur Wehr setzen".
Der 29-jährige, gelernte Stahlbetonbauer war kein kleines Licht in der NPD, sondern vielmehr einer der führenden Köpfe der Partei in Sachsen: Er war seit 1995 Landesvorstandsmitglied, agierte als Pressesprecher der Partei und war NPD-Kreisvorsitzender in Meißen. NPD-Fraktionschef Holger Apfel erklärte gestern vor Pauls Rücktritt noch:"Wir werden uns nicht an einer Vorverurteilung beteiligen und die konkreten Beschuldigungen genau prüfen. Sollte sich der Vorwurf jedoch bewahrheiten, wird die Fraktion selbstverständlich Konsequenzen ziehen. Am Montag wird sich die gesamte Fraktion mit dem Fall beschäftigen." Die Angelegenheit dürfte auch die Partei umtreiben, die sich gern mit Saubermann-Image umgibt. Während des Stephanie-Prozesses vor dem Landgericht Dresden verteilte die Partei Flugblätter, auf denen die Todesstrafe für Kinderschänder gefordert wird.
Die Fraktion zerfällt mit Pauls Rücktritt weiter. Erst vor zehn Tagen war der 66-jährige Abgeordnete Klaus-Jürgen Menzel nach Bekenntnissen zu Hitler und Betrugsvorwürfen ausgeschlossen worden. CDU- und SPD-Politiker hatten gegen ihn Strafanzeige wegen Volksverhetzung und Glorifizierung des Nationalsozialismus gestellt. Seine Immunität ist zudem aufgehoben, da er in einem Prozess einem rechten Schläger ein Alibi verschafft haben soll. Für die Fraktion ist das Vertrauen zu Menzel, der auch wegen anderer Delikte verurteilt wurde, zerstört.
Im Visier der Ermittler stehen zudem Fraktionschef Holger Apfel und Winfried Petzold, gegen die wegen Beleidigung ermittelt wird. Sie sollen zwei Aussteiger aus der Szene wüst beschimpft haben. Oberstaatsanwalt Schär will in Kürze Anklage erheben. Im Herbst 2004 war die NPD noch mit zwölf Abgeordneten ins Parlament eingezogen, hatte aber bereits Ende 2005 drei Aussteiger verloren.
Sven Heitkamp