Sächsische Zeitung, 02.12.2006
SPD gegen SPD: Attacke auf Fraktionschef
Partei. Der sächsische Bundestagsabgeordnete Gunter Weißgerber greift den Chef der Landtagsfraktion scharf an.
Genau eine Woche vor dem SPD-Landesparteitag sorgt ein Brandbrief des Bundestagsabgeordneten Gunter Weißgerber für erhebliche Unruhe innerhalb der Partei.
Der Leipziger Sozialdemokrat fordert in einem persönlichen Brief den Chef der Landtagsfraktion, Cornelius Weiss, auf, bei den am 19. Januar anstehenden Wahlen nicht mehr als Fraktionsvorsitzender zu kandidieren. Die SPD Sachsen brauche im Wahljahr 2009 ein Personalangebot, das „realistisch in die Zukunft weist“, schreibt Weißgerber in seinem Brief, der gestern bei sämtlichen SPD-Fraktionsmitgliedern einging.
„Mit Dir an der Spitze der Landtagsfraktion im Landtagswahljahr könnte diese wichtige Rahmenbedingung mit Sicherheit nicht erfüllt werden“, schreibt Weißgerber an den 73-jährigen Weiss. Die SPD brauche vielmehr ein „neues, zukunftsträchtiges Führungsgesicht“ an der Fraktionsspitze. Und der oder die Neue müsse bis 2009 einen hohen Bekanntheitsgrad in dieser Funktion besitzen. Im Folgenden behauptet Weißgerber sinngemäß, dass Weiss, der frühere Leipziger Uni-Rektor, es ihm zu verdanken habe, dass er es überhaupt politisch so weit gebracht habe.
SPD-Landesvorstandssprecher Andreas Weigel nahm Weiss gestern gegen die Attacke in Schutz. Weißgerbers Handeln sei „getragen von persönlichen Verletzungen und gekränkter Eitelkeit“. Die SPD-Fraktion habe einen „hervorragenden Vorsitzenden“. Weißgerber vertrete eine „Einzelmeinung“ innerhalb der Partei, so Weigel.
Der attackierte Sozialdemokrat selbst reagierte kurz und knapp auf die überraschende Attacke und die Frage, ob er weitermachen werde. „Das entscheidet die Fraktion im Januar – und sonst niemand“, sagte Cornelius Weiss gegenüber der SZ.
In Fraktionskreisen kursieren mittlerweile mindestens drei potenzielle Gegenkandidaten: Stefan Brangs und Johannes Gerlach. Als weiterer junger Hoffnungsträger gilt Martin Dulig, der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion. Doch der winkt klar ab. „Diese Frage stellt sich für mich nicht.“
Eine Zwischenlösung, so ist aus Parteikreisen zu hören, könnte aber sein, dass Weiss nach einer Wiederwahl nicht mehr bis 2009 im Amt bleibt, sondern einige Monate vor dem Wahlkampf den Staffelstab an einen Jüngeren übergibt.
Von Annette Binninger